Es scheint vollbracht – Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller sieht für diesen Winter eine Gasmangellage nahezu abgewendet. Und auch die Prognosen für die nächste Heizperiode sind aktuell überwiegend positiv. Ein Lagebericht.
Gleich zu Beginn des neuen Jahres verkündet die Bundesnetzagentur gute Nachrichten für die Gasversorgung in Deutschland: Die Gefahr einer Gasmangellage in diesem Winter ist nahezu ausgeschlossen, die Gasspeicher sind aktuell zu rund 90 Prozent gefüllt. „Mit dieser Ausgangslage ist es in der Tat sehr unwahrscheinlich, dass wir in diesem Winter noch mit einer Mangellage rechnen müssen“, bestätigt Florian Doktorczyk, Vertriebsleiter bei der WVV Energie. Auch über drei Monate nach Beginn der Heizperiode sind die Speicherstände komfortabel. Das stimmt optimistisch, selbst wenn natürlich immer ein gewisses Restrisiko bleibt.
Entspannung dank milder Temperaturen und voller Speicher
Die positive Gesamtlage geht auf mehrere Gründe zurück. Zum einen profitiert Deutschland weiterhin von dem milden Wetter. Im Schnitt lagen die Temperaturen 2022 rund ein Grad über dem Mittelwert der vergangenen Jahre. Nur der Dezember war mit 1,8 Grad Durchschnittstemperatur deutlich kälter als in den Vorjahren. Da aber die Gasspeicher bereits im November 2022 vollständig befüllt waren, blieben die Speicherstände vergleichsweise hoch.
Zusätzlich ging der Gasverbrauch in Deutschland 2022 insgesamt zurück. Private Haushalte sparten allein 12 Prozent Gas ein, die Industrie sogar 15 Prozent. Besonders die Zahlen von Oktober bis Dezember 2022 stechen hervor: Selbst als die Temperaturen anzogen, verbrauchten Industrie und Haushalte rund 20 Prozent weniger Gas als in den Vorjahren. „Zusammengerechnet kommen wir so mit Blick auf das ganze Jahr auf 14 Prozent weniger Bedarf als 2021. Das ist ein großer Erfolg“, resümiert Florian Doktorczyk. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die wichtigsten Daten zur Gasversorgung 2022.
„Zusammengerechnet kommen wir so mit Blick auf das ganze Jahr auf 14 Prozent weniger Bedarf als 2021. Das ist ein großer Erfolg“
Florian Doktorczyk, Vertriebsleiter WVV Energie
Darum ist Energiesparen weiter wichtig
Auch wenn die Lage aktuell entspannt scheint, warnt Bundesnetzagentur-Präsident Müller davor, jetzt in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. „Die aktuell hohen Speicherstände sind ein Grund zur Freude. Allerdings befinden wir uns nur dank der Anstrengungen in den vergangenen Monaten in dieser komfortablen Situation“, erklärt Vertriebsleiter Florian Doktorczyk. Prognosen der Initiative Energien Speichern e.V. (INES) sehen anhaltende Einsparungen als zentrales Element für eine weiterhin sichere Gasversorgung in Deutschland. Bei gleichbleibenden Verbräuchen stehen die Chancen laut INES gut, dass der restliche Winter ohne Mangellage über die Bühne geht – selbst im Falle von extrem niedrigen Temperaturen oder geringeren Flüssiggasimporten.
Positiver Nebeneffekt: Durch die Erfolge der vergangenen Monate sind nicht nur die Speicherstände in Deutschland aktuell hoch. Gleiches gilt auch für anderen EU-Länder. Und das wirkt sich derzeit positiv auf den Gasmarkt aus. Im Großhandel fielen zuletzt die Preise deutlich – sogar bis auf das Niveau von Dezember 2021. Der Grund: Durch die hohe Einspeicherung sind die Länder im Moment gut abgesichert. Das entschärft Spekulationen und sorgt für eine Beruhigung am Markt. Eine wichtige Botschaft vor allem für die energieintensive Industrie. „Nach den Preisexplosionen im Sommer ist eine Entspannung der Lage für diese Unternehmen besonders wichtig“, betont Florian Doktorczyk. Ein steigender Gasverbrauch würde auf lange Sicht die Energiepreise klettern lassen und die Industrie belasten.
Vor allem aber auch mit Blick auf das kommende Jahr bleibt ein bewusster Umgang mit Erdgas weiter wichtig. Denn jede Kilowattstunde weniger muss später nicht teuer nachgekauft werden.
Positiver Ausblick auf den nächsten Winter
Die aktuell komfortable Lage stimmt Bundesregierung und Energiewirtschaft hoffnungsvoll für den nächsten Winter. Rechnete man zu Beginn der Heizperiode 2022 noch mit einer massiven Gaslücke zum Ende 2023, zeigt eine Studie von INES nun gute Voraussetzungen für das erneute Einspeichern im Frühjahr. Denn sollten die Temperaturen in den kommenden Wochen auf einem normalen Niveau bleiben, könnten die Erdgasspeicher laut dem INES-Gasmarktmodell Anfang Februar noch bis zu 70 Prozent gefüllt sein. Zum Vergleich: Ende März 2022 war nur rund 26 Prozent Füllvolumen übrig. Somit würde dieses Jahr mehr als doppelt so viel Erdgas vorrätig bleiben wie im Vorjahr. Das gesetzte Ziel der Bundesregierung von mindestens 40 Prozent Einspeicherung zum Ende des Winters wäre also mehr als erreicht.
Außerdem zeigt die INES-Simulation, dass die deutschen Gasspeicher im Anschluss voraussichtlich problemlos wieder zu 100 Prozent befüllt werden können. Selbst unter Eintritt gewisser Risikofaktoren und erstmalig ganz ohne russisches Gas. Ein Szenario beschreibt etwa einen extremen Kälteeinbruch in Asien. In einem solchen Fall würde der Kontinent laut der Studie einen Großteil der LNG-Importe absorbieren und dadurch weniger Flüssiggas nach Deutschland fließen. Doch auch unter solchen Umständen könnte die Wiederbefüllung funktionieren. „All diese Annahmen setzen allerdings voraus, dass der Gasverbrauch in Deutschland nicht wieder ansteigt. Sparen ist und bleibt also weiterhin das Gebot der Stunde“, hebt Energieexperte Florian Doktorczyk hervor. Er resümiert: „Wenn alles so eintritt, wie von der Studie prognostiziert, ist Deutschland aber auch für den nächsten Winter bestens gerüstet.“
Verschaffen Sie sich einen Eindruck von den in der INES-Studie beschriebenen Szenarien.
Gut zu wissen: Die Bundesnetzagentur bildet in ihrem Frühwarnsystem tagesaktuell die Gasversorgungslage ab