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Preisbremsen: „Für viele Unternehmen geht es um beachtliche Summen“

Wie ist der Stand bei der Umsetzung der Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse? Lässt sich schon absehen, wie sich die Energiepreise nach der Bewältigung der aktuellen Energiekrise entwickeln? Welche Vorkehrungen können Privathaushalte und Unternehmen treffen, um sich gegen weitere Preisturbulenzen zu wappnen? Darüber sprach das WVV Magazin mit Florian Doktorczyk, seit vielen Jahren Vertriebsleiter der Stadtwerke Würzburg und damit erfahrener Energiemanager.

 

Gaspipeline-System, Foto: Adobe Stock // Photocreo Bednarek

Herr Doktorczyk, wie kommen Sie mit der Umsetzung der Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse voran? Können die Kundinnen und Kunden damit rechnen, dass die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Entlastungen rechtzeitig bei ihnen ankommen?

Wir müssen hier unterscheiden zwischen Privat- und kleineren Gewerbekunden auf der einen und den größeren Geschäftskunden auf der anderen Seite. Das sind ja zwei verschiedene Systeme. Bleiben wir zunächst bei der ersten Gruppe. Die Soforthilfe, also der Dezemberabschlag 2022, dürfte bei allen Kundinnen und Kunden dieser Gruppe bereits angekommen sein, spätestens aber im Januar. Nach der gesetzlichen Regelung beginnt die eigentliche Entlastung im März, rückwirkend zum Januar 2023. Die Privat- und kleineren Gewerbekunden mit Standardlastprofil, kurz SLP, sowie Verbräuchen bis zu 30.000 Kilowattstunden pro Jahr werden folglich die tatsächliche Entlastung erstmals mit dem Märzabschlag auf ihrem Konto spüren – und ab dann monatlich. In der Jahresabrechnung werden wir dann alles noch einmal glattstellen. Die Preisbremsen gelten nach jetzigem Stand zunächst bis Ende des Jahres, vielleicht verlängert bis April 2024. Das bekommen wir hin – auch wenn das eine bisher einmalige Herausforderung für uns ist, in so kurzer Zeit unsere Abrechnungssystem anzupassen.

 

Bei den größeren Geschäftskunden lässt sich das sicher nicht so pauschal beantworten. Wie sieht es in dieser Kundengruppe aus?

Richtig, hier müssen wir jede Kundin und jeden Kunden individuell betrachten – und dafür brauchen wir noch viele Informationen von den Unternehmen, die jetzt für eine prüfungsfeste Abrechnung der Preisbremsen unabdingbar sind und die wir bisher nicht benötigten. Für etliche Unternehmen geht es ja um beachtliche Summen. Da gibt es viel auszutauschen und zahlreiche Fragen zu beantworten. Diese Kommunikation ist in dieser Intensität und diesem Umfang für uns, aber auch für unsere Unternehmenskunden, neu – eine riesige Herausforderung ist, dass alle Informationen rechtzeitig, vollständig und überprüfbar vorliegen und in unsere Systeme eingepflegt sind. Wir arbeiten mit großem Engagement daran sicherzustellen, dass alle Kundinnen und Kunden am Ende auch die Entlastung bekommen, die ihnen zusteht. Bis spätestens Mitte Februar wird die Implementierung der neuen Abrechnungsprozesse wohl abgeschlossen sein, sodass dann für alle Kundinnen und Kunden die gebremsten Preise tatsächlich zur Abrechnung kommen.

 

Florian Doktorczyk, Vertriebsleiter der WVV. Foto: WVV

Florian Doktorczyk, seit vielen Jahren Vertriebsleiter der Stadtwerke Würzburg und damit erfahrener Energiemanager sieht einen Trendwechsel beim Thema Energieeffizienz in Unternehmen und erklärt die aktuellen Herausforderungen für Energieversorger.

 

Das klingt alles recht glatt. An dieser Stelle vielleicht noch mal zum Verständnis für Ihre Kundinnen und Kunden, was die Umsetzung der Preisbremsen an Herausforderungen für die WVV bedeutete und weiterhin bedeutet.

Eine solch herausfordernde Abfolge kurzfristiger Gesetzesauflagen, die einen unvergleichlich hohen Personal- und Ressourceneinsatz und eine so extreme Anpassungsfähigkeit erfordern, hatten wir in unserer Branche schon sehr lange nicht mehr. Ein paar Punkte habe ich ja bereits angedeutet. Nehmen wir nur die Abrechnungsprozesse, die komplett neu aufgestellt werden mussten. Einzubinden waren unsere Experteninnen und Experten aus der Abrechnung, der IT, dem Vertrieb, dem Produktmanagement, dem Marketing und nicht zuletzt der Kundenkommunikation. Es gab verständlicherweise viel, viel mehr zu erklären und jede Menge Fragen zu beantworten. In einem solch kurzen Zeitraum eine neue Projektorganisation aufzubauen – und das voraussichtlich nur für eine Übergangszeit – verlangt von allen viel ab. Uns kam und kommt zugute, dass Anpassungsfähigkeit sicherlich eine Stärke von uns ist. Das wissen unsere Kundinnen und Kunden und das spricht sich offensichtlich herum. Gerade in den vergangenen 18 Monaten haben wir jedenfalls großen Zuspruch von unseren Kundinnen und Kunden erhalten und viele neue gewonnen, die uns als regional verankertes Stadtwerk als stabile Größe und verlässlichen Partner gerade auch in Krisenzeiten erleben.

 

Kommen wir zurück zu den Wirkungen der Preisbremsen. Die Entlastungen betreffen bekanntlich nur ein begrenztes Kontingent des Energieverbrauchs, bei kleineren Betrieben 80 Prozent, bei größeren Unternehmenskunden 70 Prozent. Wie sehen Sie die Chance, dass die Kundinnen und Kunden 20 beziehungsweise 30 Prozent Energie einsparen und damit vermeiden können, für den darüber hinausgehenden Verbrauch den Markpreis zahlen zu müssen?

Beide Ziele halte ich für sehr ambitioniert. Schauen wir beispielsweise auf den Gasverbrauch. Nach den jüngsten Zahlen der Bundesnetzagentur konnten Haushalte und Gewerbebetriebe bis Ende 2022 zwölf Prozent einsparen, die Industrie 15 Prozent. Wir haben darüber in unserem Blog-Beitrag unter dem Titel „Gasmangellage vorerst abgewendet“ ausführlich berichtet. Das ist zwar recht beachtlich, aber gemessen an den Entlastungskontingenten in beiden Gruppen noch zu wenig. Bleiben wir mal bei der Industrie. Einigen Kundinnen und Kunden gelingt es, die gestiegenen Kosten weiterzugeben, andere konnten kurzfristig Produktionsumstellungen vornehmen oder anderweitig Energie einsparen. Aber das klappt natürlich in so kurzer Zeit nicht bei allen.

Gerade in den vergangenen 18 Monaten haben wir jedenfalls großen Zuspruch von unseren Kundinnen und Kunden erhalten und viele neue gewonnen, die uns als regional verankertes Stadtwerk als stabile Größe und verlässlichen Partner gerade auch in Krisenzeiten erleben.

Florian Doktorczyk, Vertriebsleiter WVV Energie

 

Stellen Sie denn in Sachen Energienutzung ein generelles Umdenken fest?

Auf jeden Fall. Der ökonomische Druck ist ja auch recht groß. Wir beobachten, dass das Thema Effizienz bei unseren Kundinnen und Kunden in letzter Zeit einen deutlichen Schub bekommen hat. Bei etlichen stehen jetzt die Umstellung und Einsparung von Brennstoffen, geändertes Nutzerverhalten und die Prüfung, inwieweit sich erneuerbare Energien nutzen lassen, ganz oben auf der Agenda. Und viel ist auch schon passiert. So stellen wir fest, dass im Bereich Photovoltaik bereits reichlich gebaut wurde auf Industrie- und Gewerbedächern. Gerade der Eigenverbrauch selbst erzeugten Solarstroms ist erheblich günstiger als Netzstrom, aber auch die Verpachtung von großen Dachflächen kann recht lukrativ sein.

 

Photovoltaik Freiflächenanlage, Foto: iStock// zhonggou

Die WVV bietet ja im Bereich Photovoltaik umfangreiche Dienstleistungen an. Werden die denn auch genutzt?

Das Interesse an und die Nachfrage nach unseren Produkten sind sehr hoch. Nicht überraschend, haben die Unternehmen mit eigenen PV-Anlagen doch einen sehr wirksamen Hebel, ihre Energiekosten zu senken. In den vergangenen Jahren haben wir im Bereich PV viel Kompetenz aufgebaut, um unsere Kundinnen und Kunden auch auf diesem immer wichtiger werdenden Gebiet umfassend zu unterstützen. Das reicht von der Beratung über die Planung und den Bau der Anlagen bis hin zur Vermarktung beispielsweise des Rest-Solarstroms, der nicht im eigenen Unternehmen genutzt wird. Gerade dies erfordert ja viel Spezialwissen, von dem unsere Kundinnen und Kunden profitieren können. Der Trend zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien, ob Photovoltaik, Wärmepumpe oder beides, wird sich noch verstärken. Wir stellen uns darauf ein.

 

Momentan sinken die Beschaffungspreise an den Energiebörsen im Spot- und Terminmarkt wieder. Sehen sie Chancen, dass die Preise in absehbarer Zeit erneut auf das Vorkriegsniveau zurückgehen?

Das Preisniveau, das wir noch vor zwei Jahren hatten, werden wir wohl so bald nicht wieder erreichen. Ich will aber nicht ausschließen, dass wir erneut auf ein ähnliches Niveau zurückkommen, wie vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Bis dahin waren die Energiepreise ja auch schon kräftig gestiegen. Über die Gründe haben wir ausführlich berichtet. Darauf hatten sich viele Unternehmen schon eingestellt. Momentan sind wir allerdings selbst von diesem Preislevel noch weit entfernt – und das, obwohl der Gesetzgeber mit der Streichung der EEG-Umlage schon einen größeren Kostenblock herausgenommen hat. An den Terminmärkten sehen wir aktuell eine gewisse Beruhigung, allerdings auf einem deutlich höheren Niveau im Vergleich zu früher gewohnten Preisen. Auf längere Sicht bin ich aber verhalten optimistisch. Was wir in den vergangenen Monaten an Marktturbulenzen erlebt haben, war für uns alle bisher unvorstellbar. Auch wenn es jetzt eine gewisse Beruhigung gibt, sollten Unternehmen solche Situationen zukünftig für ihre Geschäftsszenarien stärker berücksichtigen. Selbst wenn es gebetsmühlenartig klingt: Investitionen in Energieeinsparungen, Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien gehören mit hoher Priorität auf die Agenda aller Unternehmen.

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