Wenn in diesen Tagen die Bäume ihre bunt gefärbten Blätter abwerfen und man allenthalben in den Supermärkten die Aktionsflächen mit Lebkuchen, Pfeffernüssen und Marzipankartoffeln befüllt, dann werden viele von uns angenehme vorweihnachtliche Gefühle entwickeln. Und so manche Kindheitserinnerung an das Drachen-steigen-Lassen im Herbstwind oder den am Morgen des Nikolaustages mit Süßigkeiten, Äpfeln und Nüssen gefüllten Strumpf vor der Zimmertür werden dabei aufkommen.
Doch bei mindestens einem Neu-Würzburger weckt diese Zeit noch weitere lebhafte Erinnerungen: Nämlich bei Ralf Willrett, der vor einem Jahr in die Geschäftsführung der WVV eingetreten ist. Seitdem ist er im Konzern für den gesamten Bereich Mobilität, den konzernweiten Einkauf, die Führung der Aufgabenbereiche Revision und Compliance sowie für die Beteiligungen im Mobilitäts- und Freizeitbereich verantwortlich. Zu seinem Verantwortungsbereich zählen somit unter anderem die Geschäftsführung der Würzburger Straßenbahn (WSB) sowie die Omnibus-Betriebsgesellschaft (NVG), die Würzburger Stadtverkehrs-GmbH (SVG), die Würzburger Bäder GmbH (WBG) sowie die Genusswunder Würzburg GmbH (GWW).
Ein vorweihnachtlich geprägter Einstieg
Willretts Aufgabengebiet ist also recht breit. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich im Rückblick auf seine Einstiegsphase bei der WVV vor einem Jahr nicht nur wegen der schon beschriebenen spätherbstlichen Stimmung an Weihnachten erinnert fühlt: „In gewisser Weise war damals für mich jeden Tag Bescherung“, schmunzelt er. „Als Neueinsteiger kommen die unterschiedlichsten Themen auf einen zu. Bildlich gesprochen habe ich jeden Tag ein neues Päckchen ausgepackt und nachgesehen, was drin ist.“ Dazu kamen schon bald die verschiedenen Veranstaltungen in der Weihnachtszeit, auf denen er sich auch der Belegschaft vorstellte. Somit waren seine ersten drei Monate im WVV-Konzern in mehrfacher Hinsicht „vorweihnachtlich“ geprägt. Wobei Willrett noch aus einem weiteren Grund sehr gern an diese Einstiegsphase zurückdenkt: „Die tolle Zusammenarbeit mit den neuen Kolleginnen und Kollegen von Anfang an, aber auch, wie ich insgesamt hier in Würzburg aufgenommen wurde, das war große Klasse! Ich habe mich hier von Anfang an wohlgefühlt.“
Entsprechend positiv fällt seine persönliche Bilanz nach dem ersten Jahr als WVV-Geschäftsführer aus:
„Die vergangenen zwölf Monate waren für mich sehr arbeitsreich und intensiv, aber auch unheimlich spannend. Ich habe viel Neues gelernt und empfinde das als echte Bereicherung. Natürlich: Der Bruch der Radschwingen bei unseren Straßenbahnen des Typs GT-N war eine unerfreuliche Überraschung. Aber umgekehrt ist es ein Erlebnis zu sehen, wie engagiert und professionell alle Beteiligten dafür kämpfen, die Auswirkungen für die Fahrgäste möglichst gering zu halten. Trotz solcher Herausforderungen empfinde ich viel Freude bei meiner Arbeit und genieße es, dass ich hier im Unternehmen und in der Stadt mitgestalten kann. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir in unserem Geschäftsführungsteam gut harmonieren und mit einem ähnlichen Mindset unterwegs sind. Daher bereue ich meinen Wechsel nach Würzburg in keiner Weise. Für mich persönlich war das auf jeden Fall ein richtiger Schritt.“
Von Oberbayern nach Mainfranken – ein Kulturschock?
Zumal sich Ralf Willrett im mainfränkischen Umfeld ausgesprochen wohl fühlt. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass seine familiären Wurzeln im Neckartal liegen – einer Region, die ähnlich stark durch den Weinbau geprägt ist. Doch auch den kulturellen Kontrast zu seiner bisherigen Wirkungsstätte empfindet er als spannend und bereichernd: „Ich erlebe ja gerade einen Dualismus zwischen Oberbayern und Franken, weil meine Familie in Oberbayern lebt und ich folglich am Wochenende zwischen den beiden Regionen pendele,“ erzählt er. „Natürlich gibt es da markante Unterschiede, schon allein durch die geographischen Bedingungen: Hier die liebliche Hügel- und Flusslandschaft – dort die Berge. Hier stehe ich mit einem Glas Weißwein auf der Alten Mainbrücke – dort sitze ich beim Weißbier im Biergarten. Solche Unterschiede prägen natürlich auch die Kultur einer Region.“ Wobei er ausdrücklich keinen Anlass für ein „Ranking“ sieht: Schließlich gebe es ja bei aller wohltuenden Vielfalt und Andersartigkeit immer auch viele Gemeinsamkeiten zwischen den Regionen. Am Ende zähle sowieso der einzelne Mensch – und da gebe es überall solche und solche. „Ich bin jedenfalls als gebürtiger Württemberger mit den Oberbayern prima klar gekommen“, betont Willrett, „und ich habe keinen Grund anzunehmen, dass das bei den Franken anders sein wird.“
In Würzburg und der Region Mainfranken hat sich Willrett inzwischen gut eingelebt. In der Stadt, so berichtet er, gebe es wenige Ecken, wo er noch nicht war. Und zu jedem Ortsteil habe er bereits eine Vorstellung, wie es dort aussieht. Im Umland war er ebenfalls schon viel unterwegs und hat sich die Region unter anderem auf Ausflügen mit der Familie erschlossen. Auch seine Frau und seine beiden 10 und 14 Jahre alten Kinder kommen gern übers Wochenende zum Besuch nach Würzburg. Wobei sein Sohn bereits einen Favoriten bei den Ausflugszielen hat: Er begeistert sich für das Nautiland mit seiner Riesen-LED-Rutsche.
Persönliche Interessen zum Beruf gemacht
Und wofür begeistert sich Ralf Willrett? „Bewegung ist neben Lesen und Reisen ein wichtiger Ausgleich für mich – egal ob beim Walken, Radfahren oder Skifahren“, berichtet er. Nicht zuletzt liegt ihm aber auch ein Thema besonders am Herzen, das ihn schließlich nach Würzburg geführt hat: „Ich hatte das große Glück, dass ich meine persönlichen Interessen, die mich schon sehr lange begleiten und prägen, zum Beruf machen konnte – nämlich die kommunale Daseinsvorsorge“, erzählt er. „Schon als Schüler, als ich täglich mit dem Bus zur Schule gefahren bin, habe ich mich mit dem zuständigen Verkehrsunternehmen in Verbindung gesetzt, um zu erreichen, dass der Fahrplan besser an die Unterrichtszeiten angepasst wird.“ Mitdenken, Einfluss nehmen, die Lebensqualität in einer Stadt aktiv mitgestalten: Das waren schon früh Themen von Ralf Willrett – und eine wichtige Motivation für sein Zweitstudium. Im Anschluss an seine Ausbildung als Diplom-Verwaltungswirt an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg absolvierte er ein rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Tübingen und legte nach dem Referendariat die zweite juristische Staatsprüfung in Stuttgart ab. Danach ging es beruflich direkt nach München zu den Stadtwerken und der Münchner Verkehrsgesellschaft sowie für einige Jahre in ein Beratungsunternehmen.
Ihm liegt an einer ganzheitlichen Betrachtung von Öffentlichem Nahverkehr und Stadtplanung. „Ich war immer der Überzeugung, dass Stadtplanung und ÖPNV zusammengehören“, erläutert Willrett. „Wer einen guten ÖPNV will, muss integriert denken und zum Beispiel Haltestellen an attraktiven Stellen einrichten. Nicht im hintersten Winkel, der aus Sicht der Fahrgäste völlig unattraktiv ist.“ Womit eine weitere grundlegende Devise von Ralf Willrett angesprochen ist: „Wir müssen den ÖPNV vom Kunden her denken!“ Das sei an sich nichts Besonderes, in der Praxis aber zu wenig umgesetzt. „Machen Sie doch mal den Selbsttest, wenn Sie das nächste Mal in einer fremden Stadt sind“, rät Willrett. „Wenn Sie dort im öffentlichen Nahverkehr den Beschilderungen folgen und das Gefühl haben, sich gut zurechtzufinden, dann hat jemand aus der Kundenperspektive mitgedacht. Genau das braucht es, um Kunden für den ÖPNV zu gewinnen. Zugangsbarrieren abbauen, das ÖPNV-System einfach, übersichtlich und leicht nutzbar machen. Dann macht es immer mehr Menschen Freude mitzufahren.“
Freiräume schaffen und verdeckte Potenziale nutzen
Mit dem Motto: „Das haben wir schon immer so gemacht!“ – „Das haben wir noch nie so gemacht!“ – „Da könnte ja jeder kommen!“ kann sich Ralf Willrett wenig anfreunden. Wobei der Verwaltungsfachmann ausdrücklich betont, dass eine solche Einstellung oft zu Unrecht als „Beamten-Dreisatz“ bezeichnet wird: „Solche Argumentationen werden gern dem öffentlichen Bereich zugeschrieben, aber die finden sich im privatwirtschaftlichen Bereich genauso“, hat Willrett festgestellt. „Das hat eher mit Führungskultur zu tun. Denn eine wesentliche Basis von Kreativität im Unternehmen ist ein Arbeitsumfeld, das die richtige Mischung aus Freiräumen und Vertrauen bietet. Dadurch werden Kräfte im Team frei und ungenutzte Potenziale entfalten sich.“
Ist Willrett also der typische „Macher“, der eine Organisation rigoros nach seinen Vorstellungen ausrichtet? Der „Leithammel“, der stets vorangeht und dem alle anderen bedingungslos folgen sollen? Nein, so definiert er seine Rolle als Führungskraft eindeutig nicht. Sein Führungsverständnis ist vielmehr geprägt durch den Gedanken, Freiräume zu schaffen, um den Mitarbeitenden Erfolg zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Dreiklang: „Ehrlichkeit“, „Verantwortungsbewusstsein“, „Vertrauen“. Da wäre zunächst die Ehrlichkeit – mit anderen Worten: Sagen, was ist! Das gilt für ihn, aber ebenso für seine Mitarbeitenden: „Ich rede selbst nicht gern um den heißen Brei herum“, bekennt Willrett, „und ich ermutige deshalb auch die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, offen anzusprechen, wo der Schuh drückt. Daraus entstehen Berechenbarkeit und Stabilität. Also: Nicht die Probleme aussitzen und mit sich rumschleppen, sondern gemeinsam schauen, wie wir sie zügig lösen. Nur so kommen wir voran und können die Zukunft gestalten.“
Vertrauensvorschuss gewähren, mit Fehlern konstruktiv umgehen
Stichwort Verantwortung: Alle Führungskräfte tragen in ihrer jeweiligen Position eine große Verantwortung. „Dazu gehört auch, unbequeme Themen klar zu adressieren“, betont der neue WVV-Geschäftsführer. Und schließlich das Vertrauen: „Ich bringe den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, ein Grundvertrauen entgegen. Sie sollen sich einbringen können, gestalten dürfen, die Dinge selbstständig nach vorne bringen dürfen. Ich gebe also Freiräume. Das schließt auch ein, dass es Misserfolg geben kann. Das ist zum einen ganz normal. Und zum anderen lernen wir bekanntlich aus unseren Fehlern mehr, als wenn immer alles glatt läuft. Wichtig ist, Fehler schnell zu erkennen und die richtigen Schlüsse draus zu ziehen Ich bin keiner, der ständig alles kontrollieren und immer im Vordergrund stehen muss, um sich selbst etwas zu beweisen. Ich kann auch ganz gut andere einfach machen lassen, wenn ich sehe: das läuft!“
Ähnlich differenziert und realistisch sieht Willrett auch den Beitrag, den er zum Erfolg des Unternehmens leisten kann und will: „Ich hatte schon auf meinen bisherigen beruflichen Stationen immer das klare Gefühl: Meine Arbeit trägt dazu bei, dass es nach vorne geht, dass sich Dinge verändern, dass etwas besser wird. Daran will ich auch bei der WVV als Teamplayer innerhalb der Geschäftsführung anknüpfen. Der Erfolg dieses Unternehmens und seiner Mitarbeitenden zahlt sich unmittelbar in der Lebensqualität für die Menschen in Würzburg aus. Die wollen wir gemeinsam steigern. Mit klugen Ideen und Lösungen für die anstehenden Herausforderungen der Energie-, Wärme- und Mobilitätswende. Aber natürlich gilt auch hier: Nobody is perfect! Selbstverständlich versuchen wir als Geschäftsführung unsere Arbeit so gut wie möglich zu machen. Aber auch wir wissen nicht von vornherein alles besser, sondern sind auf die Kompetenz, die Kreativität und den Mitgestaltungswillen aller Mitarbeitenden im Konzern angewiesen. Damit unser Unternehmen erfolgreich sein kann, kommt es auf jede und jeden Einzelnen an – egal in welchem Bereich und auf welcher Position er oder sie sich einbringt. Wir kommen nur gemeinsam voran!“
Risiken ernst nehmen, aber auch die Chancen sehen
Dass hierbei nicht immer alles problem- und reibungslos ablaufen wird, steht dem Pragmatiker Willrett vor Augen. Denn Veränderungsprozesse enthalten immer auch Risiken und befördern Ängste vor dem Neuen, Unbekannten. „Es ist doch nicht zu leugnen, dass wir als Gesellschaft insgesamt, die Wirtschaft und die Unternehmen und auch die einzelnen Menschen derzeit mit großen Veränderungen konfrontiert sind“, räumt Willrett ein. „Der Klimawandel beschert uns immer häufiger Extremwetterereignisse, plötzlich ist wieder Krieg in Europa, die Energiepreise steigen, der Fachkräftemangel macht sich zunehmend bemerkbar. Das sind große und fundamentale Einschnitte, die verständlicherweise Verunsicherung auslösen.“
Doch Veränderungen bringen nicht nur Risiken mit sich, sondern immer auch Chancen, davon ist Willrett fest überzeugt: „Das ist ein Aspekt, der mir persönlich in unserer Gesellschaft und in der öffentlichen Debatte derzeit etwas zu kurz kommt“, bekennt er. „Es wird viel problematisiert und viel Augenmerk auf Risiken gelegt, aber die Chancen finden keine ausreichende Berücksichtigung.“ Natürlich müsse man vorhandene Risiken sehen, ernst nehmen und klug managen. Aber bei all dem dürfe man seinen Optimismus nicht verlieren. „Wir haben in diesem Land in den vergangenen Jahrzehnten schon so viele schwierige Situationen erfolgreich gemeistert, wir werden das auch künftig schaffen.“
Und das gilt nach Willretts Überzeugung gleichermaßen für die Herausforderungen, vor denen der WVV-Konzern und die Region Würzburg stehen – beispielsweise in Sachen Energiewende und Mobilitätswende: „Ich bin mir ganz sicher: Zusammen mit der Verwaltung der Stadt Würzburg, den Bürgerinnen und Bürgern sowie den vielen engagierten Mitarbeitenden der WVV werden wir die vor uns liegenden Aufgaben erfolgreich bewältigen. Gemeinsam schaffen wir das!“ Optimismus könne ansteckend sein – so heißt es oft. Im Gespräch mit Ralf Willrett spürt man unwillkürlich, was damit gemeint ist.