„Würzburger bunkern Müll für den Winter“ – so titelten viele Medien regional und überregional 2022 eine ungewöhnliche Maßnahme des Müllheizkraftwerks (MHKW) in Würzburg: Müll ballieren und einlagern, um im Winter mehr Wärme produzieren zu können und Gas zu sparen. Was allerdings wie eine Notlösung inmitten der Gasmangellage erschien, ist eine abgestimmte Strategie der beiden Würzburger Kraftwerke im Rahmen der Wärmewende, die auch ohne Energiekrise Sinn und Zweck hat.
Anfang 2022 resultierte aus dem Angriff Russlands auf die Ukraine sowie der Unterbrechung der Erdgasversorgung aus Russland die Suche nach Alternativen und die Notwendigkeit, Gas zu sparen. Zu diesem Zweck wurde kurzfristig die erste Warnstufe des Notfallplans Gas durch das Bundeswirtschaftsministerium ausgesprochen. Bei der WVV kam man bereits ab Juni zu einem wöchentlichen Jour Fixe zusammen, bei dem verschiedene Vertreter der betroffenen Bereiche darüber diskutierten, wie man sich auf den Krisenfall vorbereiten kann, was zu tun ist und wie Gas eingespart werden kann.
Einhergehend zu den Überlegungen stand das Szenario im Raum: Was machen wir im Falle eines strengen, kalten Winters 2022/2023, wenn die Gasspeicher nicht mehr ausreichend gefüllt sind? Wie stellen wir die Wärmeversorgung der Würzburgerinnen und Würzburger sicher?
Gut vorbereitet auf die Wärmewende
Beste Voraussetzungen waren in den Jahren zuvor unter anderem durch die Modernisierung des Heizkraftwerks an der Friedensbrücke geschaffen worden. Hintergrund waren die Umsetzungen der Anforderungen aus dem Klimaschutzkonzept der Stadt Würzburg und der Anforderungen zur Energiewende bzw. der Wärmewende der Stadt. Mit dem Einbau des Wärmespeichers und der neuen Dampfturbine 4 konnten Flexibilität und Effizienz gesteigert werden. Mit der Dampfturbine 4 wurde eine Entnahmegegendruckturbine eingebaut, die die Abwärme nicht mehr in den Main, sondern in Form von Heißwasser ins Fernwärmenetz oder in den Speicher einspeisen kann. Diese Idee geht einher mit einer hohen Verfügbarkeit im MHKW, um die Flexibilität am HKW ausnutzen zu können. Das HKW kann mit dieser Strategie somit in der Übergangszeit und in den Sommermonaten zyklisch betrieben werden: Es wird ans Netz genommen zu Zeiten, in denen man am Markt wirtschaftlich Strom erzeugen kann und wird bei geringerer Fernwärmelast abgestellt. Die Wärmeversorgung der Stadt wird dabei über das MHKW und den Wärmespeicher am HKW geleistet, nötigenfalls unterstützt durch zwei kleinere Heizwerke. Damit wird Gas eingespart und man kann sich stärker am Strommarkt orientieren. „Dieses Zusammenspiel haben wir uns schon vor einigen Jahren ausgedacht“, so Armin Lewetz, Vorstand der Stadtwerke Würzburg AG. „Die Gasmangellage hat das im Endeffekt in der Umsetzung und Ausprägung nur beschleunigt und forciert. Das ursprüngliche Ziel war es, von April bis Oktober das HKW mit einem zyklischen Betrieb mit hoher Effizienz zu betreiben und den Speicher täglich im Einsatz zu haben. Das hat sich letztes Jahr in den Sommermonaten unerwartet viel schneller und präsenter eingestellt als gedacht. Die Gasmangellage und die Volatilitäten am Markt beim Strom- und Gaspreis haben uns aufgefordert, diese Flexibilität auch anzuwenden.
Die Modernisierung des Heizkraftwerks war nur der erste Schritt für eine Maßnahme, die dann im Sommer 2022 zur Umsetzung kam. Aus dem Zweckverband Abfallwirtschaft kam vom Vorsitzenden Oberbürgermeister Christian Schuchardt die Idee, Müll für die Wintermonate vorsorglich zu ballieren und auf Halde zu lagern.
„So wird Energie aus dem Sommer in den Winter verlagert, um dann im Winter einen sicheren Zweilinienbetrieb im MHKW zu gewährleisten. Dieser bietet eine Fernwärmegrundlast, um im Zusammenspiel mit dem HKW mit einem geringeren Erdgasverbrauch die Wärmeversorgung in Würzburg zu garantieren. Bereits 2015 hatten wir begonnen, zwei strategische Zwischenlager anzulegen. Eines in unserem Partnerlandkreis in Ansbach, Deponie Aurach, und ein zweites 2020 auf unserer eigenen Deponie in Ochsenfurt-Hopferstadt. Da waren wir unter den Ersten in Bayern.“
Alexander Kutscher, Geschäftsleiter des MHKW
Diese Maßnahme ist auch mit Blick auf Betriebsstörungen und Revisionsarbeiten sinnvoll. Somit waren beide Seiten gut vorbereitet, weil man bereits wusste, wie Energiewende in Würzburg funktionieren kann.
„Die beste Einsparung ist Verbrauchsoptimierung, also die Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird. Die Vorbereitungen für die Energiewende haben uns letztendlich die Möglichkeit gegeben, bei der Gasmangellage richtig reagieren zu können.“
Armin Lewetz, Vorstand der Stadtwerke Würzburg AG
Während am MHKW die Energie im Winter vollumfänglich nutzbar gemacht werden kann, ist das im Sommer nicht möglich, weil die Turbinen nicht ausreichend Dampf aufnehmen können und zudem der Fernwärmebedarf gering ist. Vor diesem Hintergrund war es bereits eine langfristige Strategie, die Zwischenlager zu nutzen, um den Müll dann zu verbrennen, wenn er energetisch optimal genutzt werden kann. Für die kommunale Wärmewende gilt es grundsätzlich, Wärmepotential vom Sommer in den Winter zu bringen. So ist das nun möglich.
Verschiedene Ansätze der kommunalen Wärmewende
Solche Lösungen dürfen keine Ausnahme bleiben. Im Zuge der Wärmeleitplanung muss geklärt werden: Was muss wann und mit welchem Potenzial getan werden, um bis 2045 klimaneutrale Wärmeversorgung in Würzburg sicherzustellen? Die Verlagerung von Müllmengen stellt dabei eine Variante dar und der Winter 2022/23 hat gezeigt: Es ist machbar und wiederholbar. Wenn es um Wärmewende geht, ist dies ein sinnvolles, zielgerichtetes Instrument, das man entsprechend bepreisen und darstellen kann.
Durch die Modernisierung des HKW wird industrielle Abwärme nicht mehr in den Main abgegeben, sondern ins Fernwärmenetz oder in den Speicher. „Wir haben im vergangenen Jahr 80-mal das HKW abgestellt und haben es zyklisch betrieben, weil es ökologisch sinnvoll war. Zudem hatten wir dadurch die Flexibilität, uns den volatilen Märkten entsprechend entgegenstellen zu können. Damit haben wir – im Vergleich zum Wirtschaftsplanansatz – 27 Prozent Erdgas eingespart, das entspricht rund 55.000 Tonnen CO2“, erklärt Armin Lewetz.
HKW und MHKW als Rückgrat für die Energieversorgung
„Wir haben durch geschickte Mengensteuerung und durch die intelligente Lenkung des Kraftwerksverbundes Wärmeversorgung mit Gas-Einsparung erzielt, ohne eine zusätzliche Tonne zu verbrennen“, so Alexander Kutscher. „Zudem waren wir in der Lage, in Folge der Flexibilität und Verfügbarkeit im MHKW auf die Markt-Kapriolen so zu reagieren, dass der WVV-Konzern keinen großen wirtschaftlichen Schaden genommen hat,“ ergänzt Armin Lewetz.
In einem Punkt herrscht zusätzliche Einigkeit in der Zusammenarbeit zwischen Stadt, Stadtwerken und Zweckverband: In der jetzt angesetzten Geschwindigkeit muss die Wärmewende weiter vorangetrieben werden. Würzburg befindet sich mitten im Umbruch und inmitten von Betrachtungen und Studien, wie die Wärmeversorgung in zehn bis 15 Jahren in der Stadt aussehen kann, hin zur grünen Wärme. Großwärmepumpen werden ihren Beitrag leisten, damit die Wärme in Würzburg bis 2045 klimaneutral sein kann. Auch das Einsetzen von Wasserstoff im HKW kann eine mögliche Variante sein. Welche Optionen im Zuge der weiteren Entwicklung greifen, werden die nächsten Jahre zeigen. Die WVV arbeitet mit ihren Partnern schon längst an weiteren Lösungen.
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