Wer in Würzburg jemals den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) genutzt hat – und für wen gilt das nicht? – hat sich auch schon mindestens einmal auf einen jener Menschen verlassen, die bei Wind und Wetter vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein dafür sorgen, dass ihre Fahrgäste wohlbehalten an ihr jeweiliges Reiseziel kommen. Im Volksmund spricht man leichthin vom „Busfahrer“ oder von der „Straßenbahnfahrerin“. Doch die Frauen und Männer, die am Steuer eines der Fahrzeuge der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) sitzen, sind viel mehr als das. Nicht umsonst lautet ihre eigentliche Berufsbezeichnung: Fachkraft im Fahrbetrieb. Als solche haben sie in ihrer Ausbildung zwar auch gelernt, einen 40 Tonnen schweren Omnibus oder eine Straßenbahn sicher durch dichten Straßenverkehr zu steuern. Aber eben noch einiges mehr.
Ausbildung setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen
Wer wüsste das besser als Rainer Erhard, der das Ausbildungsprogramm der WVV für die sogenannten „FiF’ler“ seit 2009 maßgeblich mit aufgebaut hat und seit vielen Jahren in diesem Bereich als Ausbilder tätig ist. „Als Fachkraft im Fahrbetrieb macht man bei uns sowohl den Omnibus- als auch den Straßenbahnführerschein“, erläutert Rainer Erhard. „Zur Ausbildung zählen aber ebenso technische, kaufmännische und kommunikative Inhalte.“ So lernen die angehenden FiF’ler zum Beispiel schon im ersten und zweiten Lehrjahr viel über Kraftfahrzeugtechnik und -elektrik: Wie läuft die Antriebskette vom Motor bis zu den Rädern? Wie funktioniert das Getriebe eines Busses, wie das Bremssystem bei der Straßenbahn? Wie behebt man Türstörungen? Wie funktioniert die Fahrzeugbeleuchtung? All das ist auch Gegenstand der Zwischenprüfung. Das dritte Lehrjahr ist dann für die kaufmännischen Inhalte reserviert: Fahrplangestaltung und Disposition, Marketing, Wirtschaft und Soziales (WiSo), Geschäftsprozesse. Doch auch damit ist es noch lange nicht getan: Kundenkommunikation und Kundenberatung – zum Beispiel beim Fahrscheinverkauf – zählen ebenso zu den Aufgabengebieten einer Fachkraft im Fahrbetrieb. Um dies zu schulen, findet ein Teil der Ausbildung im Kundenzentrum der WVV statt. Und schließlich steht auch psychologisches Grundwissen auf dem Lehrplan: der Umgang mit Stress und wie man in Konfliktsituationen oder gegenüber gewaltbereiten Menschen deeskalierend, also die Situation entschärfend, auftreten kann.
Zuverlässigkeit zählt mehr als eine spezielle Begabung
Das klingt nach allerhand unterschiedlichen und speziellen Kenntnissen, die man erwerben muss, um „FiF’ler“ werden zu können. Ist das denn überhaupt alles zu schaffen? Rainer Erhard gibt hier Entwarnung: „Natürlich sind Menschen verschieden. Der eine braucht vielleicht etwas länger, um sich bestimmte Kenntnisse oder Fertigkeiten anzueignen, beim anderen geht es ganz fix. Aber im Endeffekt kriegen es meist alle hin.“ Und Erhard, der während seiner Laufbahn schon knapp 40 junge Leute ausgebildet hat, muss es wissen. Für ihn ist es jedes Mal wieder eine faszinierende und motivierende Erfahrung, wie sich die jungen Menschen, die man ihm als Ausbilder anvertraut, innerhalb kurzer Zeit entwickeln: „Wenn man miterlebt, wie diese Jungs und Mädels manchmal während ihrer dreijährigen Ausbildung einen Sprung von Null auf Hundert hinlegen und anschließend bei der WVV einen tollen Job machen, dann erfüllt einen das schon mit Stolz.“ Zumal die Azubis der WVV ihre Ausbildung nicht selten als Innungsbeste mit Auszeichnung abschließen, was im Jahr 2021 Florian Kuhn gelungen ist, der Bayernweit zu den besten Absolventen zählte.
„Die Fachkraft im Fahrbetrieb ist ein Beruf mit Zukunft. Denn angesichts des Klimawandels gewinnt der umweltfreundliche ÖPNV stetig an Bedeutung.“
Im Übrigen kann Rainer Erhard auch hinsichtlich der notwendigen Voraussetzungen für die FiF’ler-Ausbildung beruhigen: Formal ist mindestens ein qualifizierter Hauptschul- oder ein Realschulabschluss gefordert. Außerdem sollte man bereits seinen PKW-Führerschein begonnen haben oder diesen bereits besitzen. Und dass man ein gewisses Interesse für Kfz-Technik und für kaufmännische Fragen mitbringen sollte, versteht sich von selbst. Aber eine ausgeprägte technische Spezialbegabung beispielsweise benötigt man nicht.
Darüber hinaus sind einige der sogenannten „weichen Faktoren“ im Berufsalltag eines FiF’lers unverzichtbar. Manuel, der seine Ausbildung gerade als einer der Jahrgangsbesten in Bayern abgeschlossen hat, betont: „Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit – das sind schon Eigenschaften, die in unserem Beruf sehr wichtig sind. Außerdem sollte man über eine hohe Konzentration verfügen und gerne Kontakt zu Menschen haben.“ Die Bereitschaft, mit charakterlich sehr unterschiedlich veranlagten Menschen umzugehen, sollte ebenfalls nicht fehlen.
Ein zukunftssicherer Job, der Spaß machen kann
Und womit wird man als Fachkraft im Fahrbetrieb für all die Mühen der Ausbildung belohnt? Was macht Spaß an dieser Tätigkeit? Ausbilder Rainer Erhard schmunzelt: „Sie sollten einmal dabei sein, wenn die jungen Leute zum ersten Mal in ihrem Leben so eine Kiste mit 40 Tonnen fahren dürfen! Das macht jedem Spaß, da haben alle ein Lächeln auf dem Gesicht.“ Aber mitunter sind es auch die „kleinen Dinge des Lebens“, die tiefe Befriedigung verschaffen: „Das Schönste an meinem Beruf ist für mich, einfach mal ein ‚Danke‘ zu bekommen – zum Beispiel, wenn man einer älteren Dame oder einem Rollstuhlfahrer ins Fahrzeug geholfen hat“, erzählt der frischgebackene FiF’ler Manuel. „Oder auch nur, wenn Fahrgäste einen schönen Tag wünschen – das tut gut, wenn man so den ganzen Tag unterwegs ist.“ Selbstständig zu arbeiten, selbstständig eine Linie zu fahren, selbstständig mit Kunden zu kommunizieren sowie Verantwortung für Fahrgäste zu übernehmen – all das sind Herausforderungen, die der „alte Hase“ Rainer Erhard und der noch am Beginn seiner Berufslaufbahn stehende Manuel gleichermaßen als motivierende Bestandteile ihres Berufes nennen. Davon ganz abgesehen, ist die Fachkraft im Fahrbetrieb ein Beruf mit Zukunft. Denn angesichts des Klimawandels gewinnt der umweltfreundliche ÖPNV stetig an Bedeutung.
Und gelegentlich gibt es noch besondere „Knüller“: So fand im Jahr 2018 in Osnabrück eine Art „FiF’ler-Olympiade“ statt: Unter dem Motto „Deutschland sucht den Super-FiF“ traten dort Fachkräfte aus dem Fahrbetrieb verschiedener Städte gegeneinander an und mussten ihr Können unter Beweis stellen. Die Würzburger – so hört man – konnten auf ihren Auftritt durchaus stolz sein. Nicht zuletzt wegen der Coronapandemie ist es bislang nicht zu einer Neuauflage dieses spannenden Wettbewerbs gekommen. Doch Rainer Erhard hofft, dass „nach Corona“ vielleicht auch eine solche Veranstaltung wieder stattfinden wird. Und dann würden die Würzburger FiF’ler auf jeden Fall wieder daran teilnehmen.
Das Berufsbild ist zu wenig bekannt – nicht zuletzt bei Frauen
Woran liegt es also, dass die Verantwortlichen bei der WVV Nachwuchssorgen plagen, wenn es um die Fachkräfte im Fahrbetrieb geht? Für Ausbilder Rainer Erhard stechen hier zwei Gründe hervor: „Zum einen führt die Berufsbezeichnung ein wenig in die Irre“, vermutet Erhard. „Denn wenn man Fahrbetrieb hört, denken eben viele: Na ja, da fährt man einen Bus!“ Zum anderen können sich aber viele Menschen unter dem Berufsbild gar nichts Bestimmtes vorstellen. Wenn er zum Beispiel bei einer der Berufsbildungsmessen mit Interessenten ins Gespräch komme, werde schnell deutlich, dass es hier viel Aufklärungsbedarf gebe. Doch solche Veranstaltungen müssen derzeit wegen der Coronapandemie meist ausfallen.
„Wenn man miterlebt, wie die Jungs und Mädels während ihrer Ausbildung einen Sprung von Null auf Hundert hinlegen und anschließend einen tollen Job machen, erfüllt einen das mit Stolz.“
Ein Weg, um den Nachwuchsbedarf zu decken, wäre sicher auch, mehr Frauen für diesen Beruf zu begeistern. Bislang, so rechnet Rainer Erhard vor, bewerben sich noch zu ca. 90 Prozent Männer auf die Ausbildung. Seit 2009 waren unter seinen knapp 40 Azubis nur 6 Azubinen. Doch das muss nicht so bleiben. Zweifellos ist der Beruf der Fachkraft im Fahrbetrieb mitunter körperlich anstrengend – und man darf keine Scheu haben, sich schmutzig zu machen. Denn die FiF’ler müssen schon auch mal in der Werkstatt oder draußen am Straßenbahngleis kräftig mit anpacken. Aber längst haben sich Frauen in vergleichbaren Berufssparten ihren Platz erobert – warum nicht auch bei den FiF’lern? Auf jeden Fall hofft Rainer Erhard, dass die FiF’ler-Ausbildung bei der WVV, die gewissermaßen „sein Baby“ ist, auch nach seinem altersbedingten Ausscheiden in zwei Jahren wie bisher fortgeführt wird. „Denn wir haben mit diesem Ausbildungsprogramm, das im Lauf der Jahre stets weiterentwickelt wurde, sehr gute Erfahrungen gemacht und viele Erfolge erzielt“, betont der Ausbildungsleiter.
Außerdem haben wir für den Ausbildungsstart zum 01.09.2022 noch freie Ausbildungsstellen als Fachkraft im Fahrbetrieb. Direkt hier bewerben!