Die WVV Energie klärt auf …
Wie erhält die WVV Energie ihr Erdgas?
Bis Erdgas in die vielen tausend Würzburger Wohnungen strömt und hier für angenehme Temperaturen und warmes Wasser sorgt, braucht es zweierlei: „Zum einen muss genug Gas verfügbar sein, zum anderen müssen wir als regionaler Lieferant den Brennstoff für unsere Kundinnen und Kunden am Markt beschaffen“, erklärt Thorsten Tippmann. Er ist Abteilungsleiter Handel bei der WVV Energie und verantwortlich dafür, dass der Einkauf reibungslos läuft.
Um das sicher zu stellen, kauft die WVV Energie das Gas schon sehr viel früher – üblicherweise über Jahre im Voraus – über langfristige Lieferverträge. Die damit betrauten Spezialistinnen und Spezialisten planen dazu jeden einzelnen Tag voraus und schätzen sehr genau ab, wie viel ihre Kundinnen und Kunden brauchen werden. Je nachdem, ob Winter oder Sommer ist, wird mehr oder weniger Gas benötigt. „Ob der Winter jedoch kalt oder warm wird, das weiß keiner vorher“, nennt Thorsten Tippmann eine wichtige Variable. „Es gibt zwar Prognosen, aber die sind nur wenige Tage im Voraus verlässlich.“ Folglich muss die WVV Energie hin und wieder kurzfristig Gas am sogenannten Spotmarkt nachordern – oder wenn sie zu viel beschafft haben, verkaufen.
Unabhängig von den schwer zu kalkulierenden Wettereinflüssen verfolgt die WVV Energie eine risikominimierende Beschaffungsstrategie. „Wir kaufen Teilmengen zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei verschiedenen Händlern ein“, erläutert Thorsten Tippmann das Vorgehen. Dank dieser bewährten Methode entsteht ein Durchschnittspreis, der üblicherweise für ein Jahr gilt. Größere Preisschwankungen an der Börse, lassen sich damit ausgleichen.
Erfahren Sie hier mehr zur Beschaffungsstrategie der Stadtwerke Würzburg.
Woher kommt das Erdgas?
Mit Beginn des russischen Angriffskriegs stehen die Verfügbarkeit und die Verteilung von Erdgas stärker im Fokus als je zuvor. Schließlich fließt kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland. Kurz vor dem Krieg lag der Anteil von russischem Erdgas am bundesweiten Verbrauch bei 65 %.
Im Oktober 2023 fiel zudem noch Pipeline Baltic Connector zwischen Estland und Finnland wegen eines Sabotageakts aus. „Es handelt sich hier um eine relativ kleine Pipeline, die auf unsere Gasversorgung keine größeren Auswirkungen hat“, versichert Jürgen Söbbing, Geschäftsführer der WVV-Tochter Mainfranken Netze GmbH. Zum Vergleich: Die ebenfalls sabotierte Nord Stream 1 hatte eine 23-fach höhere Kapazität und führte direkt nach Deutschland. Allerdings machte sich der Vorfall im Baltikum – neben anderen Faktoren – direkt bei den Börsenpreisen bemerkbar. Sie stiegen deutlich, haben sich aber wieder auf dem davor gültigen Niveau eingependelt.
Angesichts dieser Entwicklungen halten Verantwortliche des Gasspeicherverband INES die Gasversorgung Europas nach wie vor für sehr sensibel. Das unterstreichen die Expertinnen und Experten der Bundesnetzagentur (BNetzA). Weil nach wie vor russisches Erdgas nach Südeuropa gelangt, ist folgendes Szenario denkbar, wenn auch nach Ansicht der BNetzA unwahrscheinlich: Eine Reduktion der Liefermengen oder ein kompletter russischer Exportstopp würde die Lage nicht nur im Süden Europas verschärfen, sondern auch hierzulande Erdgas verknappen. Denn Deutschland wäre verpflichtet, gewisse Mengen abzugeben.
Die gute Nachricht: Deutschland hat auf die neue Situation ohne russische Importe reagiert und die Einfuhren diversifiziert. Aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden gelangt mehr Erdgas ins deutsche Netz. Dazu kommen nennenswerte Mengen Flüssigerdgas, kurz LNG, das inzwischen aus unterschiedlichen Regionen der Welt stammt: aus den USA, aus Katar und aus Australien. Die dafür nötigen Tanker können ihre wertvolle Ladung inzwischen an drei deutschen Terminals löschen. Drei LNG-Terminals, wo das Flüssigerdgas in den gasförmigen Zustand umgewandelt wird, laufen bereits im Regelbetrieb. Drei weitere sollen bis Anfang 2024 ebenfalls in Betrieb gehen.
Wie sicher ist die Gasversorgung im Winter 2023/24?
Die Erdgasspeicher waren – anders als im Vorjahr – schon Anfang November randvoll. „In einem durchschnittlichen Winter reicht diese Menge, um Haushalte und Unternehmen über zwei bis drei Monate mit Gas zu versorgen,“ rechnet Jürgen Söbbing vor. Einschätzungen der BNetzA bestätigen dies: Zwar gilt die am 23. Juni 2022 ausgerufene Alarmstufe des Notfallplans weiterhin. Die Gasversorgung ist jedoch stabil und die Versorgungssicherheit gewährleistet. Weshalb die Bonner Behörde die Gefahr einer angespannten Gasversorgung in einem normal kalten Winter mittlerweile als gering einschätzt.
Sparsamer Energieverbrauch ist weiterhin gefragt
Zwar fehlt bislang der politische Aufruf zum Energiesparen – sozusagen die offizielle Aufforderung. Aber: Auch trotz aller positiven Signale sieht die BNetzA im sparsamen Umgang mit Erdgas und Strom nach wie vor einen wichtigen Hebel für die Sicherung der Versorgung.
Ganz davon abgesehen lassen sich mit einem reduzierten Erdgasverbrauch die eigenen Kosten im Griff halten. Zugegeben – die Gaspreise sind im Laufe des Jahres wieder zurückgegangen, liegen aber immer noch weit über dem Vorkrisenniveau. Zudem betont die BNetzA, dass sich Privathaushalte und Unternehmen auf schwankende Preise und ein insgesamt höheres Preisniveau einstellen müssen.
Inzwischen hat sich die bewusstere Nutzung von Erdgas etabliert – vor allem bei Unternehmen, aber auch in vielen Privathaushalten. Übrigens: Erdgas sparen schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch das Klima.
Welche Maßnahmen hat die WVV Energie in Folge des russischen Angriffskriegs ergriffen?
Auch Würzburg hat die Krise nicht kalt gelassen: Im Rahmen ihrer Wärmeleitplanung hat die WVV Energie zum Beispiel geprüft, an welchen Stellen Erdgas zu ersetzen ist. „Wir haben zum Beispiel über große Wärmepumpen nachgedacht, die dann künftig in unser Fernwärmenetz einspeisen können“, gewährt Jürgen Söbbing Einblicke. Das Fernwärmenetz wird eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Energieversorgung spielen. Es handelt sich hier aber um einen Prozess, der Zeit braucht. Neue Anlagen müssen geplant, genehmigt und installiert werden. Von der Entscheidung für ein Projekt bis zu Inbetriebnahme vergehen oft Jahre. Auch über Wasserstoff wird diskutiert. Dieser Energieträger wird vermutlich ebenfalls erst in fünf oder zehn Jahren zum Tragen kommen.
„Auf jeden Fall hat der Kriegsausbruch die Planungen und Investitionen rund um das Fernwärmenetz beschleunigt“, sagt Jürgen Söbbing. „Ausschlaggebender Punkt für den Netzausbau sind aber Umweltschutzaspekte. Schließlich ist es eines unserer obersten Ziele, dass Würzburg bis 2040 klimaneutral wird. Mit unserem Fernwärmenetz machen wir einen großen Schritt dorthin.“