Bis 2040 soll Würzburg klimaneutral sein. Um das zu erreichen, steht eine CO2-neutrale Wärmeversorgung ganz oben auf der Aufgabenliste der Stadtwerke Würzburg, die dieses Transformationsprojekt für die Stadt umsetzen. Warum es Sinn ergibt, die kommunale Wärmewende schnell anzugehen und was das für Würzburg bedeutet, beantwortet Stadtwerke-Vorständin Dörte Schulte-Derne im Interview.
Frau Schulte-Derne, die Stadtwerke Würzburg haben die sogenannte Wärmeleitplanung für Würzburg bereits im Juli 2023 beauftragt – Monate früher, als der Gesetzgeber das sogenannte Wärmeplanungsgesetz verabschiedet hat. Was treibt Sie bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung so an?
Wir befinden uns inmitten eines gigantischen Transformationsprozesses hin zu einer klimaneutralen Zukunft. Für Würzburg bleiben uns nicht einmal mehr 17 Jahre, um die Strom- und Wärmeversorgung sowie den Verkehr zu dekarbonisieren. Eine Mammutaufgabe, die keinen Aufschub mehr duldet und Erfolge braucht. Das ist wichtig für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Deshalb haben wir zusammen mit der Stadt entschieden, die kommunale Wärmewende schnell anzugehen. Denn die öffentlichen Debatten um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes haben die Menschen stark verunsichert. Gleich, ob Privatperson oder Verantwortliche in Unternehmen. Der Wärmeleitplan schafft Klarheit über die Rahmenbedingungen.
Was genau zeigt denn der Wärmeleitplan und der spätere kommunale Wärmeplan auf?
Alle Eigentümerinnen sowie Eigentümer von Immobilien – ob Privathaushalte oder der gewerbliche und öffentlichen Sektor – bekommen mit dem Wärmeplan straßen- und häuserscharfe Informationen, wo wir in Würzburg neue Wärmenetze planen und welche Gebäude voraussichtlich weiterhin mit eigenen Heizungen ausgestattet werden müssen. Sie erhalten also Planungssicherheit für die Modernisierung ihrer Heizanlagen. Das ist ein wichtiger Schritt, damit die lokale Wärmewende auch wirtschaftlich gelingt. Zusammen mit der Stadt werden wir Informations- und Beratungsangebote entwickeln, die bei der Auswahl der passenden Lösungen unterstützen.
Gibt es weitere Gründe, warum die Transformation der Wärmeversorgung noch vor anderen Themen der Energiewende auf Ihrer Aufgabenliste steht?
Die Energiewende ist für uns kein Neuland. Wir legen aber den Fokus auf das aktuell Machbare und konzentrieren uns nicht auf noch unfertige Rahmenbedingungen. Und wir gehen mit gutem Beispiel voran, um den Menschen in der Region zu zeigen, wie die Energiewende real funktioniert. Für unsere Trinkwasserversorgung produzieren wir zukünftig beispielsweise den Strom selbst – mit eigenen Photovoltaikanlagen. Bis zum Jahresende stellen wir außerdem die gesamte Beleuchtung in der Stadt auf effiziente LED-Technik um. Auch das kommt deutschlandweit noch nicht besonders häufig vor. Die kommunale Wärmewende bietet ebenfalls großes Potenzial für schnell sichtbare Ergebnisse – auch wenn sie ganz sicher herausfordernd ist.
Was genau passiert jetzt konkret in Sachen Wärmewende?
Wir haben ja inzwischen Teilprozesse angestoßen und die Wärmeleitplanung im Juli 2023 beauftragt – also in einer Zeit, als die Rahmenbedingungen, die das Gebäudeenergiegesetz und damit einhergehend das Wärmeplanungsgesetz längst noch nicht klar waren. Und wir haben einen großen Vorsprung. Denn wir rechnen mit ersten konkreten Ergebnissen schon in diesem Sommer – dann also legt der Transformationspfad für die Wärmewende der Region den Weg fest.
Fernwärme spielt bereits heute eine zentrale Rolle in Würzburg. Wird das in Zukunft auch so sein?
Unbedingt. Schon heute leistet Fernwärme in Würzburg einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Mit unserem hocheffizienten Heizkraftwerk an der Friedensbrücke und dem Müllheizkraftwerk versorgen wir 1.200 Privathaushalte, Gewerbekunden und öffentliche Einrichtungen in der Stadt mit CO2-armer Wärme. Aktuell decken wir damit etwa ein Fünftel des Wärmbedarfs der Stadt, künftig sollen drei Viertel der hiesigen Bevölkerung Nah- oder Fernwärme beziehen. Noch verbrennt Erdgas bei der Strom- und Wärmeproduktion im Heizkraftwerk. Aber das wird sich ändern. Ob wir dann Biogas oder Wasserstoff nutzen, ist noch nicht klar. Das lassen wir gerade prüfen.
Auf welche Technologien setzen Sie sonst noch?
Grundsätzlich plädieren wir für eine technologieoffene Wärmewende – wegen der langen Umsetzungszeiträume. Ein Quartier, das 2035 gebaut wird, sollte den dann technisch sinnvollsten Standard erhalten und nicht zwingend den von heute. Aktuell nehmen wir unterschiedliche mögliche Handlungsfelder genau unter die Lupe. Neben der optimierten Nutzung von Abwärme könnte eine Großwärmepumpe am Auslauf des Klärwerks in Betrieb gehen, die dem gereinigten Abwasser die Wärme entzieht. Dort herrscht eine konstante Temperatur von 12 bis 13 Grad, genug, um die Wärmegrundlast für Sommertage zu erzeugen. Auch eine Großwärmepumpe am Main, die die Wärme des Flusswassers nutzt, ziehen wir in Betracht. Außerdem werden Wärmespeicher für ein optimales Lastmanagement gebraucht, sogenannte Power-to-Heat-Anlagen könnten Lastspitzen decken.
Gibt es schon Erkenntnisse, dass sich bestimmte Konzepte nicht umsetzen lassen?
In einem geplanten Neubaugebiet in Lengfeld hat eine Machbarkeitsstudie bereits erkennen lassen, dass Geothermiesonden dort aus technischen Gründen ausscheiden – aufgrund wasserrechtlicher Vorgaben und der lokalen Geologie können wir in der Region Sonden nur bis 39 Meter Tiefe nutzen. Dennoch schließen wir Geothermie für Würzburg nicht grundsätzlich aus, auch wenn sie eher eine Außenseiterchance hat. Wir prüfen auf jeden Fall die Möglichkeiten im Stadtgebiet, die Technik entwickelt sich sehr rasant weiter.
Die Energiewende umfasst ja außerdem die CO2-neutrale Produktion von Strom und die Dekarbonisierung des Verkehrs. Bleiben die Bereiche nicht auf der Strecke, wenn die Umsetzung der Wärmewende aktuell die höchste Priorität hat?
Wir fangen jetzt bei der Wärmewende an, weil das leichter ist als der künftige Stromnetzausbau. Aber das heißt natürlich nicht, dass wir dieses Thema auf die lange Bank schieben. Im Gegenteil. Bereits im April starten wir parallel mit der Umsetzung der Stromwende im Netz.
Aus gutem Grund: Der Strombedarf steigt kräftig, etwa durch die Elektrifizierung der Busflotte, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos sowie den Anstieg an Wärmepumpen im Privathaushalt, Gewerbe sowie Industrie. Gleichzeitig gehen immer neue Photovoltaikanlagen ans Netz – auf Dächern von Gewerbebetrieben, Privathäusern, öffentlichen Einrichtungen und selbst an Balkonen.
Hand aufs Herz: Ob Wärme oder Strom – die Netze dafür liegen weitgehend unter der Erde. Wir erklären Sie den Menschen in Würzburg, dass sie künftig auf unzählige Baustellen blicken werden?
Die Energiewende ist eine enorme Transformation, die wir sicher alle in unserem Alltag spüren werden. Staus, Dreck und Lärm lassen sich da nicht vermeiden. Neben dem Zusammenspiel der Fachleute hängt der Erfolg ganz wesentlich vom Dialog mit den betroffenen Menschen, Unternehmen und Organisationen der Stadt ab – und ich spreche hier von einem Austausch auf Augenhöhe. Für uns als Unternehmen bildet das Thema Akzeptanz der Transformation deshalb in Zukunft eine Säule der Strategie – neben Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und wirtschaftlichem Erfolg. Dabei schauen wir darauf, dass wir mit Impulsen, Kritik und Anregungen auf eine erwachsene sowie kluge Art und Weise umgehen und sie in konstruktive, sinnvolle Bahnen lenken. Wir arbeiten bereits an einer Mischung aus persönlichen und digitalen Dialogformaten.
"Für uns als Unternehmen bildet das Thema Akzeptanz der Transformation deshalb in Zukunft eine Säule der Strategie – neben Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und wirtschaftlichem Erfolg."
Vortrag im Video - Würzburgs Weg zur Wärmeplanung
Sehen Sie hier eine Aufzeichnung des Vortrages „Die Zukunft des Heizens – Würzburgs Weg zur Wärmeplanung“ der Stadt Würzburg auf YouTube.
Am 17.11.23 wurde das Wärmeplanungsgesetz im Bundestag verabschiedet, welches Kommunen zu einer Wärmeplanung verpflichtet. Doch wo steht Würzburg eigentlich bei der Wärmeplanung? Was ist eine Wärmeplanung überhaupt? In welchem Zusammenhang stehen das Wärmeplanungsgesetz und das Heizungsgesetz? Was ergibt sich daraus für Immobilienbesitzerinnen und Immobilienbesitzer?
Dörte Schulte-Derne, Geschäftsführerin der WVV und Vorständin (Sprecherin) der Stadtwerke Würzburg AG, informiert in ihrem Vortrag über Inhalte, neueste Entwicklungen der WVV-Wärmeleitplanung im Stadtgebiet. Klimabürgermeister Martin Heilig geht auf den Prozess zur kommunalen Wärmeplanung ein.
Alle Informationen rund um die Wärmewende hier – immer aktuell!