Wenn wir „Schifffahrt“ lesen, dieses Wort mit der seltenen Buchstabenkombination von drei aufeinanderfolgenden „f“, dann denken viele von uns vermutlich an moderne Kreuzfahrtschiffe und an frühere Luxusdampfer wie einst die „Titanic“. Oder an die gewaltigen Containerschiffe im Güterverkehr. Oder vielleicht auch an die Großsegler, mit denen zu Beginn der Neuzeit die europäischen Entdecker und Eroberer die Weltmeere bereisten. Doch „Schifffahrt“ findet auch im viel kleineren Maßstab statt und spielt selbst in Städten eine wichtige Rolle, die nicht am Meer liegen. Wie beispielsweise Würzburg. Zum heutigen „Weltschifffahrtstag“ lohnt also ein Blick auch auf die Flussschifffahrt – und zwar nicht nur, weil dieses Wort nun wirklich eines der ungewöhnlichsten der neuen deutschen Rechtschreibung darstellt.
Ein Gedenktag für die Schifffahrt
Der „Weltschifffahrtstag“ wird seit 1978 jedes Jahr am letzten Donnerstag im September begangen und gehört zu den offiziell anerkannten Gedenktagen der Vereinten Nationen. Ins Leben gerufen wurde er seinerzeit durch die „Internationale Seeschifffahrts-Organisation“ (kurz: IMO = von englisch „International Maritime Organization“). Folgerichtig ging es damals vor allem darum, die Bedeutung der Seeschifffahrt für die Weltwirtschaft hervorzuheben sowie das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf Themen wie die Sicherheit des Seeverkehrs zu lenken. Doch unter Schifffahrt wird ganz allgemein die Benutzung von Wasserfahrzeugen zur (vor allem gewerbsmäßigen) Beförderung von Personen und Gütern verstanden. Und zwar nicht nur auf Meeren, sondern eben auch auf Binnengewässern.
Wichtiger Anlegeplatz für „Fahrgastkabinenschiffe“: Würzburg
Womit wir wieder bei Würzburg wären: Hier befindet sich einer der größten Binnenhäfen Bayerns. Schon im 19. Jahrhundert wurde der „Alte Hafen“ angelegt, der bis heute der Passagierschifffahrt dient. Zusammen mit dem im Jahr 1940 in Betrieb genommenen „Neuen Hafen“ sowie dem Flusshafen und der Mainlände besteht das heutige Würzburger Hafenareal also aus vier Bereichen. Zum einen ist der Würzburger Hafen ein wichtiger Güterumschlagplatz: Mehrere Hafen- und Mobilkräne be- und entladen hier die Güterschiffe und sorgen so für einen jährlichen Schiffsumschlag von rund 200.000 Tonnen. Inklusive des Bahnumschlags werden in den Würzburger Häfen rund eine Million Tonnen Güter pro Jahr umgeschlagen.
Darüber hinaus ist Würzburg jedoch mit rund 1.000 Anlegungen jährlich auch ein wichtiger Standort für die Personenschifffahrt. Neben den fünf Liegestellen am Alten Kranen für die Linien- und Ausflugsschiffe der „Weißen Flotte“ gibt es fünf Anlegestellen für durchreisende Sportboote sowie vor allem die acht Anlegestellen für Flusskreuzfahrtschiffe nationaler und internationaler Reedereien. Und hier ist eine erfreuliche Entwicklung zu vermelden: Nachdem die „Fahrgastkabinenschifffahrt“ in den Jahren 2020 und 2021 hart von der Coronakrise getroffen worden war, hat sie sich inzwischen annähernd wieder auf dem Niveau der Jahre davor stabilisiert: „Im Jahr 2020 hatten wir nur etwa 100 Anlegungen, im Jahr darauf auch nur 295“, berichtet Christian Bauer, der als Gruppenleiter bei der „Würzburger Hafen GmbH“ (WHG) schwerpunktmäßig für die administrative Hafenverwaltung und die Disposition der Anlegestellen zuständig ist sowie als Ansprechpartner für Reedereien und Veranstalter, Kapitäne und Schiffsführer bei Fragen und Problemen aller Art fungiert. „Auf den Schiffen waren damals mitunter nur 30 bis 35 Fahrgäste. Da ging es den Reedereien eher darum, ein Zeichen zu setzen, dass man überhaupt noch fährt, ohne dass das unbedingt wirtschaftlich gewesen wäre.“ Zudem mussten natürlich auch die Crews der Schiffe „im Training bleiben“, damit sie ihre verschiedenen Fertigkeiten weiterhin beherrschen.
Denn wie schrieb schon einst Franz Kafka: „Man lernt das Matrosenleben nicht durch Übungen in einer Pfütze.“
„In Würzburg befindet sich einer der größten Binnenhäfen Bayerns.“
Flusskreuzfahrten – ein wachsender Markt für deutsche Veranstalter
Heute sieht das ganz anders aus: Im vergangenen Jahr waren bereits wieder 941 Anlegungen zu verzeichnen, und auch das aktuelle Jahr 2024 entwickelt sich sehr gut. „Wir beobachten zudem, dass die Schiffe derzeit meist nahezu vollbesetzt fahren, so dass auch die Veranstalter und Reedereien nach meinem Eindruck inzwischen mit dem Geschäft wieder recht zufrieden sind“, konstatiert Christian Bauer.
Eine interessante Veränderung durch die Coronakrise hat er allerdings auch bemerkt: Deutsche Veranstalter sind heute bei den Flussreisen anteilig stärker vertreten als noch zu Vor-Corona-Zeiten. Nationale Reedereien konnten offenbar schneller auf das Ende der Pandemie reagieren als Wettbewerber aus Ländern, die in dieser Zeit besonders stark abgeschottet waren – so zum Beispiel Australien und Neuseeland. „Aber der Anteil an Gästen aus Übersee, also etwa USA, Australien oder Neuseeland ist nach wie vor sehr hoch.“
Bei der Hafenverwaltung wird niemandem langweilig
Rund 1.000 Anlegungen von Fahrgastkabinenschiffen pro Jahr – das bringt einige Herausforderungen mit sich für die Beschäftigten der WHG, die für die Hafenverwaltung und Disposition verantwortlich sind. Und da gleicht kein Tag dem anderen. „Natürlich gibt es regelmäßig wiederkehrende Aufgaben wie die Disposition der Anlegestellen, das Zuweisen der Liegeplätze, das Überprüfen der Landstromanschlusspflicht, die Liegegeldabrechnungen oder die Organisation der Müllentsorgung“, erzählt Christian Bauer. „Aber man hat eben auch wechselnde Problemlagen, um die man sich kümmern muss. Wenn ich morgens ins Büro komme, kontrolliere ich erst mal, was überhaupt der Stand der Dinge ist, denn oft legen die Schiffe ja nachts in Würzburg an. Und dann muss man schauen: Ist da alles ordentlich gelaufen? Manchmal ist das Thema innerhalb einer Stunde erledigt – aber an anderen Tagen hangelt man sich von Problem zu Problem. Und zusätzlich steht möglicherweise das Telefon nicht still, weil bereits die Crews der Schiffe anrufen, die am nächsten Tag anlegen wollen“, lacht er.
Doch genau das – die Abwechslung und die Vielfältigkeit der Aufgaben – macht für Christian Bauer den Reiz seiner beruflichen Tätigkeit aus. Zumal die WHG der Bereich des WVV-Konzerns ist, der vielleicht am stärksten international vernetzt ist. Die Reedereien, Veranstalter und sonstigen Partner, mit denen das Team zu tun hat, kommen aus den unterschiedlichsten Ländern: aus Nachbarländern wie Österreich, Frankreich, den Niederlanden oder der Schweiz, aus Bulgarien und Moldawien, aus den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. „Da muss man dann schon auch mal einem Maschinisten am Telefon auf Englisch erklären, wie er sein Schiff an den Landstrom anschließt und wie er unser Energieterminal bedienen kann“, schmunzelt Christian Bauer. „Auf jeden Fall sitzt man nicht den ganzen Tag stur vor dem PC, sondern man kommt auch mal raus, hat mal was im Hafengebiet zu tun, hat Kontakt zu vielen anderen Leuten – zum Beispiel zu den Kapitänen.“
Wenn der Kapitän das Wasser scheut
Mitunter kommt es da zu lustigen Begebenheiten, so dass Christian Bauer einige Anekdoten erzählen kann: „Neulich beispielsweise war ich mit einem Kapitän am Schiff verabredet, um mit ihm verschiedene Formalitäten zu klären – aber er war nicht aufzufinden. Als ich ihn auf dem Handy anrief, schilderte er mir sein Problem: Er stehe gerade mitten in der Würzburger Innenstadt, es regne wie aus Eimern und er habe keinen Schirm dabei. Wenn er nun zum Schiff laufe, komme er dort völlig durchnässt an.“ In solchen Fällen ist dann unbürokratische schnelle Hilfe gefragt: Der WHG-Mitarbeiter setzte sich ins Auto und holte den Kapitän in der Innenstadt ab – dieser kam trockenen Fußes zu seinem Schiff. Vor einigen Jahren beschaffte Christian Bauer auch schon mal der Rezeptionistin eines Kreuzfahrtschiffes samstags Ersatz für ihre zerbrochene Brille, ohne die sie kaum etwas sehen konnte. Sie hatte ihn telefonisch um Hilfe gefragt, weil ihr Schiff erst am Sonntag in Würzburg ankam und sie deshalb die Ersatzbrille nicht selbst hätte besorgen können. Weniger spektakulär, aber dafür häufiger, sind die Fälle, in denen Crewmitglieder ihre Anlegestelle nicht mehr finden und per Telefon dorthin gelotst werden müssen. Solche Dinge gehören zwar nicht zu den „eigentlichen“ Aufgaben des Teams der WHG – aber man hilft eben gern.
Man sieht: Die Schifffahrt bietet nicht nur den Schiffsbesatzungen ein interessantes Berufsfeld. Auch für „Landratten“, die „nur“ für die begleitenden Serviceleistungen sorgen, damit „klar Schiff“ gemacht werden kann, ist sie ein durchaus spannender Tätigkeitsbereich.
Wer sich für eine Tätigkeit bei der WVV interessiert, findet die aktuellen Stellenausschreibungen hier.