Suche
Close this search box.

70 Jahre Heizkraftwerk an der Friedensbrücke

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Zerstörung der Würzburger Innenstadt plante die Stadt den Aufbau eines Fernwärmesystems zur Versorgung der Stadt mit Heizwärme. Hierfür begann man zunächst ab 1951 mit dem Bau des Leitungsnetzes in der Innenstadt. Einer der Beweggründe war bereits damals der Klimaschutz. Die Kessellage der Innenstadt führte in den Wintermonaten bei Inversionswetterlage immer wieder zu Smog. Die Entscheidung ein Heizkraftwerk zu errichten, also das Prinzip der effizienten Kraft-Wärme-Kopplung zu nutzen und nicht nur ein Heizwerk zu betreiben war richtungsweisend.

Ab 1954 wurde dann am Alten Staatshafen in zwei Ausbaustufen ein Kohlekraftwerk errichtet. Der Standort war naheliegend, da er in der Nähe des Wärmeversorgungsgebietes lag und somit kurze Rohrleitungswege ermöglichte, die Anlieferung des Brennstoffes per Binnenschiff über den Main besonders einfach war und das Wasser des Mains zudem als Kühlwasser genutzt werden konnte. Am 11. November 1954, nach nur sieben Monaten Bauzeit, wurde das Kraftwerk erstmals gezündet; weitere sieben Monate später wurde erstmals Dampf ins Fernheiznetz eingespeist.

In der ersten Ausbaustufe wurden zwei Kessel mit einer Leistung von 40 Tonnen Dampf pro Stunde aufgestellt, das Heizkraftwerk (HKW) verfügte hier noch über zwei Kamine, je ein Kamin pro Kesselanlage. Die Montage der zweiten Ausbaustufe begann im Frühjahr 1958. Planmäßig wurde ein dritter Dampferzeuger mit einer Leistung von 64 Tonnen Dampf pro Stunde bei maximal 84 bar aufgestellt und zu diesem Zweck ein dritter Kamin installiert. Zwei Generatoren mit je 10.000 Kilowatt Leistung produzierten elektrisch Energie. Die Bürgerschaft gab dem HKW mit drei Kaminen den Spitznamen „Panzerkreuzer Emden“.

Im Jahr 1967 wurden die drei kleinen Kamine im Rahmen einer umfangreichen Erweiterung und Modernisierung abgebaut. Der neue Block IV verdoppelte die installierte Leistung und bot mit der Möglichkeit Schweröl, später Erdgas, zu verbrennen eine energiewirtschaftliche Alternative zur Kohleverbrennung. In diesem Zusammenhang entschied eine Kommission, dass aus städtebaulichen Aspekten kein vierter Kamin, sondern ein neuer Sammelschornstein zu errichten ist. Ab 1968 erfolgte die Inbetriebnahme des Einzelkamins. Bis 2004, mehr als 36 Jahre, prägte dieser in der Öffentlichkeit als „Würzburger Spargel“ bezeichnete Schlot das Stadtbild mit.

1987 wurde das Erscheinungsbild des HKWs durch den Industrie-Designer Friedrich Ernst von Garnier neugestaltet. Durch sonnige Farben und eine neue Farbordnung bekamen Kraftwerk und Schornstein eine optische Umgestaltung.

Mit der Verlängerung der Kaminröhre von 90 Meter auf 104 Meter im Jahr 1989 begann die Ära der Klimaschutzgesetze in Deutschland. Die Großfeuerungsanlagenverordnung gab vor, dass ab April 1993 nur noch Kohlekessel mit einer Entschwefelungs- und Entstaubungsanlage betrieben werden dürfen. Zum Einsatz kam eine Anlage nach dem Prinzip der konditionierten Trockensorption. Entgegen vieler anderer Kohlekraftwerke hat man sich in Würzburg nicht für eine komplexe und kostenintensive „Nasswäsche“ entschieden.

Im Jahr 1993 wurde mit dem Teleperm-M-System der Siemens AG erstmals moderne Leittechnik mit Bildschirmarbeitsplätze in der Warte eingeführt.

Der erste Modernisierungsabschnitt seit den 60er Jahren erfolgte im Jahr 2005. Der Kohlelagerplatz wurde überbaut und eine erste Gasturbine (GuD I) installiert. Die neue Gas- und Dampfturbinenanlage verwendet Erdgas als Primärenergieträger und stellte neben dem Brennstoffwechsel auch einen entscheidenden Technologiewechsel dar.

Am 18. September 2003 wurde der symbolische Spatenstich für das neue Heizkraftwerk ausgeführt. Die Bauarbeiten benötigten knapp eineinhalb Jahre. Die letzte Lieferung Kohle traf im Heizkraftwerk am 22. August 2003 ein. Von 1955 bis 2003, über 48 Jahre lang, lieferten insgesamt 2.161 Schiffe knapp 1,9 Millionen Tonnen Kohle an das Heizkraftwerk. Damit wurden rund 20 Millionen Tonnen Dampf produziert.

Im Juni 2004 traf dann die neue Gasturbine ein. Ab dem 10. August 2004 wurden die neuen Kamine errichtet, ab dem 25. Oktober 2004 wurde der alte Kamin rückgebaut. Die Anlage GuD I ging am 17.01.2005 in den kommerziellen Betrieb. Heute hat das HKW wieder drei kleinere Kamine, wie in der zweiten Ausbaustufe von 1958 bis 1968.

Nach einem europaweiten Wettbewerb 2002 wurden die Architekten Brückner & Brückner mit der Neugestaltung der Fassade des Heizkraftwerks und der Wegeführung um das Heizkraftwerk 2005 beauftragt. In der Zeit von August 2005 bis April 2006 wurde das äußere Erscheinungsbild erneuert und das Gelände von Dezember 2005 bis März 2006 mit einem öffentlich zugänglichen Platz am alten Hafenbecken ergänzt. Die Vision der Architekten, das Heizkraftwerk in die neu entstandene Kulturmeile am alten Hafenbecken der Stadt Würzburg zu integrieren, wurde unter dem Motto „Stadtraum und Energie“ eindrucksvoll verwirklicht und bescherte der Stadt Würzburg und der Bürgerschaft somit den Würzburger Hafensommer.

Internationale Anerkennung erhielt das Projekt im Jahr 2008: Für die Außengestaltung des Heizkraftwerks wurde die Auszeichnung „Best Architects 08“ in Gold in der Rubrik „Gewerbe- und Industriebauten“ verliehen. Am 27. Juni 2013 hatte eine Jury namhafter Experten die Preisträger der Iconic Awards 2013 gewählt. „Des Kraftwerks neue Kleider“ wurde in der Kategorie „Product Facades“ als Sieger ausgezeichnet.

Im August 2007 begann der zweite Modernisierungsabschnitt. Der Kohleblock II wurde zur Anlage GuD II. Dazu wurde an Stelle des Gewebefilters II die Gasturbinenanlage GT II errichtet und der Kohlekessel K II zum Abhitzekessel K II umgebaut. Der Probebetrieb fand im Januar 2009 statt und am 22. Mai 2009 erfolgte die offizielle Inbetriebnahme der GuD-II-Anlage. Mit insgesamt 125 Megawatt elektrischer Leistung war 2021 die ehemalige Heizkraftwerk Würzburg GmbH drittgrößter kommunaler Energieerzeuger in Bayern. Die Anlage GuD II war als Peak-Anlage, also für das werktägliche An- und Abfahren von Stromspitzen gedacht und konzipiert. Im kommunalen Umfeld für den Betrieb von Heizkraftwerken richtungsweisend.

Seit 2011 wird das Fernwärmenetz von Dampf auf Heißwasser umgestellt. Zur Bereitung von Heißwasser als weiteres Wärmemedium wurde von Oktober 2010 bis August 2011 im Heizkraftwerk eine Umformstation mit 130 Megawatt thermisch installiert. Seit 2013 werden die beiden GuD-Blöcke in der Sekundärregelung und seit 2016 auch in der Primärregelung vermarktet. Zusammen mit über 200 weiteren Erzeugungsanlagen wird seit 2015 ein Pool für Sekundär- und seit 2016 ein Pool für Primärregelleistung betrieben. Heute betreiben die STW mit dem virtuellen Kraftwerk eines der größten kommunalen Systeme zur Steuerung von Erzeugungs-Flexibilitäten in ganz Deutschland.

Von 2019 bis 2024 führte die Gesellschaft eine umfangreiche Modernisierung des Heizkraftwerks zur Steigerung der Effizienz und Flexibilität durch. Das Vorhaben berücksichtigte auch den Einbau eines großen Wärmespeichers am Standort, der erste in ein Kraftwerk installierte Wärmespeicher in Deutschland. Seit August 2020 wurden erste neue Anlagen in Betrieb genommen. Die Inbetriebnahme der Gesamtanlage erfolgte im November 2021. Im Zuge des Transformationsprozesses, der geänderten Betriebsweise und des verstärkten Ausbaus der Erneuerbaren Energien sanken seit 2022 die Betriebszeiten des Heizkraftwerkes.

Auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft

Im Zuge der Wärmeleitplanung muss geklärt werden: Was muss wann und mit welchem Potenzial getan werden, um klimaneutrale Wärmeversorgung in Würzburg sicherzustellen? Anfang 2022 resultierte aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sowie der Unterbrechung der Erdgasversorgung aus Russland die Suche nach Alternativen und die Notwendigkeit, Gas zu sparen. Beste Voraussetzungen waren in den Jahren zuvor durch die Modernisierung des HKWs geschaffen worden. Durch den Einbau des Wärmespeichers und der neuen Dampfturbine 4 konnten Flexibilität und Effizienz gesteigert werden. Mit der Dampfturbine 4 wurde eine Entnahmegegendruckturbine eingebaut, die die Abwärme nicht mehr in den Main, sondern in Form von Heißwasser ins Fernwärmenetz oder in den Speicher einspeisen kann. Diese Idee geht einher mit einer hohen Verfügbarkeit im MHKW, um die Flexibilität am HKW ausnutzen zu können. Das HKW kann mit dieser Strategie somit in der Übergangszeit und in den Sommermonaten zyklisch betrieben werden: Es wird ans Netz genommen zu Zeiten, in denen man am Markt wirtschaftlich Strom erzeugen kann und wird bei geringerer Fernwärmelast abgestellt. Die Wärmeversorgung der Stadt wird dabei über das MHKW und den Wärmespeicher am HKW geleistet, nötigenfalls unterstützt durch zwei kleinere Heizwerke. Damit wird Gas eingespart und man kann sich stärker am Strommarkt orientieren.

Das HKW unterlag somit seit Anfang an verschiedenen Transformationen infolge sich veränderten Märkten und neuer Gesetze zum Klimaschutz. Die Optimierung der Prozesse in den letzten 20 Jahren führte zu einer Steigerung des Nutzungsgrades von rund 55 % auf 75 % und einer Reduzierung der CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um rund 70 %.

Pünktlich zum Jubiläum konnte Anfang November schließlich auch die Speicherfassadenverkleidung angebracht werden – somit ist die Modernisierung nun offiziell abgeschlossen.

Das HKW spielt heute, auch nach 70 Jahren, mehr denn je eine elementare Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität in Würzburg. Nicht umsonst stehen die drei Schlote in der neuen Kampagne symbolisch für die Wärmewende.

Ihr Ansprechpartner

Das könnte Ihnen auch gefallen

Kontaktieren Sie uns

Abmeldung erfolgreich

Schade, dass Sie unseren Newsletter nicht mehr erhalten möchten.
Ihre E-Mail-Adresse wurde aus dem Verteiler gelöscht.

Nur noch ein Schritt

Um die Anmeldung zum Newsletter abzuschließen, klicken Sie bitte auf den Link in der E-Mail, die wir soeben an Sie gesendet haben. Sollten Sie keine E-Mail in ihrem Posteingang finden, überprüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Ihre Anmeldung zum Newsletter war erfolgreich!

Vielen Dank für Ihr Interesse.
Ab sofort bleiben sie auch per Mail bestens informiert.