Gold, Weihrauch und Myrrhe: Das waren die seinerzeit sehr wertvollen Gaben, welche die „drei Weisen aus dem Morgenland“ laut biblischer Geschichte nach beschwerlicher Anreise dem Jesuskind brachten. Doch um ein Kind glücklich zu machen, bedarf es keiner teuren Geschenke – auch Kleinigkeiten können viel Freude spenden. Das mag in besonderer Weise für Kinder gelten, die bislang nicht unbedingt „auf der Sonnenseite des Lebens standen“. Und solche Kinder gibt es auch ganz in der Nähe, auch in einer Stadt wie Würzburg. Genau hier setzt der „Weihnachts-Wunschbaum“ der WVV an.
Benachteiligten Kindern eine Freude machen
„Die Idee wurde 2019 im Kreis der Mitarbeitenden geboren und wird bis heute aus dem Kollegium heraus umgesetzt“, erzählt Kristina Kessler, die seit zwölf Jahren in der Unternehmenskommunikation der WVV tätig und dort unter anderem für die interne Kommunikation sowie das Ideenmanagement zuständig ist. „Dabei ist der Ursprungsgedanke bis heute erhalten geblieben: Wir wollen Kindern hier in Würzburg, die in ihrem bisherigen Leben nicht ganz so viel Glück gehabt haben, an Weihnachten eine kleine Freude machen.“
Zu diesem Zweck hatte man 2019 Kontakt zum Schifferkinderheim und zur evangelischen Jugendhilfe aufgenommen, die in Würzburg mehrere familienähnliche Wohngruppen für Kinder und Jugendliche mit problematischem Familienhintergrund unterhält. Mit diesen Institutionen wurde der bis heute gültige Mechanismus abgestimmt: Auf einem vorgefertigten Formular dürfen die Kinder und Jugendlichen aus den jeweiligen Einrichtungen einen Wunsch im Wert von bis zu 20 Euro notieren. Diese Wunschzettel werden an den Weihnachtsbäumen im Foyer der WVV Kantine sowie bei der Würzburger Straßenbahn ausgehängt. Mitarbeitende können sich dann einen Wunschzettel aussuchen und das entsprechende Geschenk besorgen. Gesammelt werden die Präsente in den Büros des Betriebsrates, der ebenfalls maßgeblich in die Aktion eingebunden ist. Etwa eine Woche vor Weihnachten organisiert der Betriebsrat ein Fahrzeug, mit dem die Geschenke zu den Heimen gebracht werden. „Dabei bleibt allerdings die Anonymität gewahrt, denn auf den Wunschzetteln ist nur der Name, das Alter und das Geschlecht des Kindes notiert,“ erläutert Dirk Münch, früherer Betriebsratsvorsitzender und seit November 2024 Gruppenleiter in der Verkehrsplanung der WVV. „Wir geben die Geschenke deshalb auch nicht direkt bei den Kindern ab, sondern bei den Einrichtungen, die sie dann intern verteilen.“
„Schon lange vor Weihnachten gibt es bei den Kindern und Jugendlichen sehr viel Vorfreude.“
Sophia Meyer, stellvertretende Erziehungsleiterin im Schifferkinderheim
Mit Begeisterung bei der Sache
„Im Laufe der Jahre haben wir die Liste der Partner so erweitert, dass sie heute praktisch alle relevanten Würzburger Einrichtungen in diesem Bereich umfasst,“ berichtet Kristina Kessler, die sich alljährlich bei der Planung und Umsetzung des Projekts engagiert. „Damit alle gleichermaßen profitieren können, wird von Jahr zu Jahr gewechselt – jeder kommt in einem bestimmten Turnus mal dran.“ Wie es der Zufall will, sind 2024 wieder die gleichen beiden Institutionen an der Reihe, die schon beim Start bedacht wurden. Und Sophia Meyer, stellvertretende Erziehungsleiterin im Schifferkinderheim, macht deutlich, wie viel die Aktion den Kindern bedeutet: „Es gibt da sehr viel Vorfreude. Schon Wochen vor Weihnachten wird überlegt: Was könnten wir uns denn wünschen, was zum vorgegebenen Budget passt? Dann wird fleißig recherchiert – und nicht selten entscheidet sich ein Kind bis zur Abgabe des Wunschzettels noch fünfmal um“, lacht die Pädagogin.
Jedes Jahr erfüllen die Mitarbeitenden der WVV auf diese Weise bis zu 100 Kinderwünsche. Inzwischen wurde auch die Gelegenheit zu Gruppenwünschen geschaffen, so dass sich mehrere Kinder gemeinsam eine etwas teurere Sache wünschen können. Denn das ersehnte Gesellschaftsspiel für die Gruppe zum Beispiel ist eben oft nicht für 20 Euro zu bekommen. Um das zu besorgen, können sich dann mehrere Mitarbeitende der WVV zusammenschließen. Zudem lassen sich die Kolleginnen und Kollegen, die sich an der Aktion beteiligen, oftmals noch etwas zusätzlich einfallen: „Manche verpacken die Geschenke besonders liebevoll, manche fügen noch einen Brief oder eine Karte mit weihnachtlichen oder aufmunternden Sprüchen bei, andere hängen beispielsweise noch ein Kuscheltier an“, weiß Kristina Kessler zu berichten. „Man spürt da ganz viel Einsatzbereitschaft und Begeisterung.“
„Man spürt, dass unsere Aktion nicht nur von den Kindern selbst, sondern auch von deren Betreuenden mit Dankbarkeit und Wertschätzung angenommen wird.“
Kristina Kessler, Mitarbeiterin Unternehmenskommunikation bei der WVV
Dankbarkeit ist garantiert
Diese Stimmungslage ist im Übrigen bezeichnend für die gesamte Aktion. Das fängt schon bei den Kindern selbst an: „Die Vorlage für den Wunschzettel kommt zwar von uns, aber was die Kinder teilweise daraus machen, das ist schon phänomenal“, schwärmt Dirk Münch. „Die geben sich zum Teil richtig viel Mühe, malen den Zettel aus oder lassen sich sogar eine ganze Bildergeschichte einfallen. Und dieser Funke der Begeisterung springt eben auch auf unsere Mitarbeitenden über.“ Auch die jeweiligen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bilden beim Thema Einfallsreichtum und Begeisterung keine Ausnahme: Kristina Kessler und Dirk Münch haben es schon erlebt, dass bei der Geschenkübergabe ein als Nikolaus verkleideter Praktikant auf sie wartete oder ihnen von Mitarbeitenden ein weihnachtlicher Empfang mit Punsch und Plätzchen bereitet wurde. „Man spürt jedes Mal, dass unsere Aktion nicht nur von den Kindern selbst, sondern auch von deren Betreuenden mit Dankbarkeit und Wertschätzung angenommen wird“, konstatiert Kristina Kessler.
Das bestätigt auch Erziehungsleiterin Meyer gern: „Als sogenannte familienersetzende Einrichtung versuchen wir natürlich auch in der Weihnachtszeit eine besondere Stimmung zu erzeugen, wie sie zumindest die Kinder mit christlichem Hintergrund aus ihren Familien kennen: Es gibt also eine Nikolausfeier, es gibt einen Adventskalender und einen Adventskranz, es werden Plätzchen gebacken. Aber die finanziellen Möglichkeiten des Heimes sind natürlich begrenzt. Deshalb begrüßen wir Aktionen wie den Wunschbaum der WVV sehr, weil sich dadurch den Kindern noch etwas mehr Weihnachtsfreude bereiten lässt, als es uns allein möglich wäre. Und vom materiellen Aspekt abgesehen freut es uns einfach auch, dass es Menschen gibt, die Gutes tun wollen und dabei Freude empfinden.“
Dieser doppelseitige Charakter der Initiative ist zweifellos auch ein wichtiger Antrieb für diejenigen, die sich Jahr für Jahr dafür engagieren: „Es geht einem schon sehr nahe, wenn man vor Ort erfährt, was Kinder teilweise durchleiden müssen, um letztendlich in einem solchen Heim zu landen“, bekennt zum Beispiel Dirk Münch. „Denn die Kinder selbst können ja am allerwenigsten dazu, wenn sie von ihren Eltern abgelehnt werden oder es in ihren Familien zerrüttete Verhältnisse gibt. Als ich über unsere Aktion erstmals mitbekam, was in diesen Einrichtungen an wertvoller Arbeit geleistet wird, war ich sehr beeindruckt. Das war für mich der Anlass, mich über meine Betriebsratstätigkeit in dem Projekt zu engagieren.“ Und er gibt unumwunden zu: „Es gibt einfach ein gutes Gefühl, wenn man auf der einen Seite die ergreifenden Schicksale der Kinder vor Augen hat und auf der anderen Seite sieht, wie die Heime diese Kinder unterstützen und was unsere Mitarbeitenden aus der Aktion machen. Dazu noch die Dankbarkeit, die man in diesen Heimen erfahren darf – das alles führt dazu, dass man mit einem breiten Lächeln im Gesicht zurückkommt, wenn wir die Geschenke ausgeliefert haben.“
Alle ziehen an einem Strang
Daher sind beide Hauptverantwortlichen auch ausgesprochen dankbar dafür, wie die Mitarbeitenden bei der Aktion mitziehen: „Ich finde es wirklich toll, wie das über die fünf Jahre hinweg geklappt hat“, lobt Kristina Kessler. „Es läuft alles auf Vertrauensbasis, man muss nicht ständig steuern und kontrollieren, sondern es funktioniert reibungslos. Man spürt ein großes Engagement der Kolleginnen und Kollegen.“ Und auch die Rückendeckung der Geschäftsführung und das Engagement des Betriebsrats verdienen in diesem Zusammenhang besondere Anerkennung: „Die Initiative erfolgt zwar auf rein privater Basis, die Mitarbeitenden ziehen privat los und besorgen und bezahlen die Geschenke“, betont Kristina Kessler. „Doch das Organisationsteam kümmert sich überwiegend während der Arbeitszeit um das Projekt, und wir dürfen dabei auch die Infrastruktur der WVV und der Betriebsratsgremien nutzen. So werden beispielsweise die Wunschzettel am Weihnachtsbaum der WVV ausgehängt, und wir bewerben die Aktion auch über das Intranet.“ Außerdem gibt es eine Zusage der Geschäftsführung, dass sie einspringt, falls nicht alle Wünsche der Kinder von den Mitarbeitenden übernommen werden sollten. Denn keines der Heimkinder soll am Weihnachtsabend eine Enttäuschung erleben. „Aber dazu ist es noch nie gekommen“, freuen sich Kristina Kessler und Dirk Münch. „Bisher haben die Mitarbeitenden stets alle Wünsche erfüllt und die Geschenke wurden immer rechtzeitig ausgeliefert. Tatsächlich waren die Wunschzettel zuletzt sogar immer sehr schnell vergriffen.“
So wird es fraglos auch diese Woche wieder sein, wenn die Geschenke zum Schifferkinderheim und zur evangelischen Jugendhilfe gebracht werden. Und auch dieses Jahr werden nicht nur die Kinder und Jugendlichen in den Heimen zu den Beschenkten gehören: Wer nicht nur an sich allein denkt, sondern auch an jene, denen es nicht so gut geht, beschenkt letztlich auch sich selbst: Denn Gutes tun und Schenken macht Freude und wärmt das Herz!