Verkehrswege für den Strom
Was die Straßen für den Verkehr sind, sind die Stromnetze für die Elektrizität. Und wie es für die Fahrzeuge Autobahnen, Bundes und Landstraßen gibt, bedienen unterschiedliche Netzebenen Abnehmer in verschiedenen Größenordnungen (siehe Illustration). „Ursprünglich waren Stromnetze so gebaut, dass sie Energie von den großen Kraftwerken zu den Haushalten bringen“, sagt Andreas Günther, Abteilungsleiter „Netzgesellschaft Asset-Management“ bei der Mainfranken Netze GmbH, „Ähnlich wie Wasser durch große und kleine Leitungen zu jedem Haus fließt.“ Doch durch die Energiewende hat sich vieles verändert: Heute entsteht immer mehr Stroms direkt vor Ort, zum Beispiel durch Solaranlagen auf Dächern, Windräder oder kleine Blockheizkraftwerke. Immer häufiger fließt deshalb Strom auch aus den Wohngebieten zurück ins Netz. Dadurch wird das Stromnetz stärker beansprucht, als das früher der Fall war. „Damit die Energiewende funktioniert, müssen wir Netzbetreiber all diese vielen kleinen Stromquellen sicher und zuverlässig in das bestehende Netz einbinden“, so Günther.
Würzburg mit überdurchschnittlich hoher Netzzuverlässigkeit
Dass Würzburg zu den Vorbildern in Sachen Stromversorgungssicherheit gehört, zeigen etwa die SAIDI-Werte. Diese Abkürzung steht für „System Average Interruption Duration Index“, also die durchschnittliche Stromunterbrechungsdauer je versorgtem Letztverbraucher pro Jahr in Minuten. Ein niedriger Wert bedeutet weniger und/oder kürzere Stromausfälle – also eine höhere Versorgungszuverlässigkeit. Würzburg liegt dabei konstant um mehr als 70 % unter dem Bundesdurchschnitt, und zwar im Bereich von nur circa zwei bis drei Minuten pro Jahr – ein hervorragender Wert ist. Der positive Trend 2024 ist ein Indiz für erfolgreiche Maßnahmen zur Netzstabilisierung.
| Jahr | SAIDI Würzburg (min) | Deutschland (min) | Abweichung / Einordnung |
|---|---|---|---|
| 2022 | 2,6 | 12,2 | Deutlich besser (−78,7 %) |
| 2023 | 3,24 | 12,8 | Deutlich besser (−74,4 %) |
| 2024 | 2,15 | – | (noch) keine Referenz |
Exkurs: Vier Netzebenen für Strom
Ursprünglich waren die Netze nicht für die Aufnahme vieler kleiner Stromquellen konzipiert. Die Verteilnetze sollten – wie der Name schon sagt – die Elektrizität aus den Kraftwerken hin zu den einzelnen Verbrauchern, zu den Häusern und Steckdosen, verteilen. Wie bei den Adern eines Blattes – vom Stängel bis in die letzten Spitzen.
Die Energiewende hat hier vieles umgekehrt. Immer mehr regenerativer Strom aus PV-, Wind-, Biogas-, Wasserkraft- sowie Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Anlagen flutet zu Spitzenzeiten in die Verteilnetze und wird dort nach Bedarf von einer Netzebene in die nächste geleitet. Die Netz- oder auch Spannungsebenen kann man sich vorstellen wie ein Straßennetz; wie Autobahnen, Bundes-, Land- und Ortsstraßen haben sie unterschiedliche Funktionen.
Illustration der Netzebenen der Stromversorgung von Übertragungsnetz bis Niederspannungsnetz. // Grafik: WVV
- Übertragungsnetze: Sie sind die Autobahnen unter den Netzen. Mit 220 oder 380 Kilovolt Höchstspannung transportieren sie Strom quer durch Deutschland und Europa.
- Hochspannungsnetze: Aus dieser Ebene mit einer Netzspannung von 110 Kilovolt bezieht die Großindustrie ihren Strom. Einspeiser sind zum Beispiel große Wasserkraftwerke.
- Mittelspannungsnetze: Sie nehmen Strom von diversen Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien auf. Ausgespeist wird zum Beispiel an kleinere Industriebetriebe. Die Spannung beträgt 20 Kilovolt.
- Niederspannungsnetze: Sie beliefern bei einer Spannung von 400 Volt viele Endabnehmer. Photovoltaikanlagen auf Hausdächern speisen hier ihren Strom ein.
- Umspannwerke: Sie sind vergleichbar mit Autobahnkreuzen oder -abfahrten. Sie stellen die Verbindung zwischen den einzelnen Spannungsebenen her.
- Ortsnetzstationen: Sie setzen Strom aus der Mittel- in Niederspannung um. Oder umgekehrt. Digitale Ortsnetzstationen kommunizieren mit der Leitstelle – und sorgen für Sicherheit und Stabilität der Netze.
- Große Wasserkraftwerke: Sie sorgen für bis zu 90 Prozent des Stroms aus Wasserkraft – dabei verfügen nur fünf Prozent der Anlagen in Deutschland über eine Leistung von mehr als einem Megawatt.
- Große Industrieanlagen: Vor allem solche in der Metallindustrie und zur Herstellung von chemischen Erzeugnissen benötigen große Mengen an Energie.
- Große Solarparks: Sie können den Strombedarf von bis zu 200.000 Vier-Personen-Haushalten decken. Die Einspeisung ins Netz schwankt je nach Sonneneinstrahlung.
- Windkraftanlagen: An einem windreichen Standort kann ein Windrad rein rechnerisch rund 3.000 Haushalte mit Strom versorgen. Bei Flaute gibt es keinen Strom.
- Kleine Wasserkraftanlagen: Der mit Abstand größte Anteil (94 Prozent) der Wasserkraftanlagen verfügt über eine installierte Leistung von unter einem Megawatt.
- Kleine PV-Anlagen: Die Zahl der kleineren Photovoltaik(PV)-Anlagen zum Beispiel auf privaten Dächern ist seit der Energiekrise stark angestiegen.
- Ladestationen: Der Anteil der Elektrofahrzeuge an der Gesamt-Mobilität soll in den kommenden Jahren zunehmen. Entsprechend steigt der Stromverbrauch im Verkehrssektor.
- Gewerbe: Wie bei Wohngebäuden wird auch in Gewerbeimmobilien der Strombedarf zum Beispiel für die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung (Wärmepumpen) künftig steigen.
Strom vom Dach wächst rasant
Die Anzahl der kleinen Einspeiser wächst rasant. Allein im Jahr 2022 wurden über 5.000 Kilowatt-Peak (kWp) neu installiert. Damit hatte sich der Zubau im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Schon im darauffolgenden Jahr gab es die nächste Verdoppelung. Allein in den vergangenen drei Jahren kam mehr installierte Dach-PV-Leistung hinzu als in allen vorherigen Jahren zusammen. Bis Ende 2024 erreichte die gesamte installierte Photovoltaikleistung in Würzburg 57.859 kWp.
Auch Windkraft und Freiflächen legen zu
Dieser Trend wird sich fortsetzen. Allein die Stromerzeugung der Dachflächen-Solaranlagen soll sich laut Mainfranken Netze GmbH in den kommenden 20 Jahren fast versiebenfachen. Noch stärker wird die Stromerzeugung durch Freiflächen-PV-Anlagen im Netzgebiet wachsen: von 18 Megawatt im Jahr 2023 auf 345 im Jahr 2045. Vor allem bei der Windkraft spielt die geografische Lage eine große Rolle: Manche Gegenden, wie die Höhenlagen in der Rhön oder am Main, eignen sich besonders gut für Windenergie, andere weniger. Mit diesen Vorhersagen kann der Netzbetreiber abschätzen, wie viel Strom regional erzeugt wird. Das ist eine wichtige Grundlage, um das Stromnetz genau dort auszubauen, wo künftig mehr erneuerbarer Strom ins Netz gelangen soll.
In Würzburg erzeugte Leistung, die bis 2045 in die Netze eingespeist wird
| Netzwirksame Leistung in Megawatt | 2023 | 2033 | 2045 |
| PV-Freifläche | 18 | 122 | 345 |
| PV-Dachfläche | 64 | 157 | 432 |
| Windenergie | 14 | 122 | 345 |
| Kraftwerke (Heiz- und Müllheizkraftwerk) | 152 | 152 | 152 |
| Sonstige Erzeugung | 10 | 9 | 7 |
| Gesamt | 258 | 489 | 1026 |
Die Stromnetze müssen mitwachsen
Nicht nur wegen dieser Erfolge der Energiewende müssen die Netzbetreiber ihre Infrastruktur fit für die Zukunft machen. In Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur entstehen laufend Szenarien, die den künftigen Stromverbrauch in der Bundesrepublik abbilden. Und dieser wird stark ansteigen – etwa durch mehr Wärmepumpen in Häusern, die alte Öl- und Gasheizungen ersetzen, durch die Verkehrswende hin zu Elektromobilität und weiterer Faktoren. Auch für Würzburg existieren solche Prognosen. Dieser Umbau ist eine Mammutaufgabe für die Mainfranken Netze GmbH. Denn schon heute müssen die Fachleute planen, was in 20 Jahren gebraucht wird.
3 Fragen an die MFN
Warum müssen wir heute darüber nachdenken, wie der Strombedarf in 20 Jahren ist?
Andreas Günther, Abteilungsleiter „Netzgesellschaft Asset-Management“ bei der Mainfranken Netze GmbH: „Damit wir rechtzeitig die Infrastruktur im Einsatz haben. Und das dauert. Oft müssen im ersten Schritt Verhandlungen über Grundstücke geführt werden. Dann kommt die Planungs-, Genehmigungs- und Bauphase. Allein das kann fünf oder sechs Jahre in Anspruch nehmen. Dazu kommt, dass die Infrastruktur auf eine Lebensdauer von mindestens 40 Jahren angelegt ist. Die Investitionen sind immens. Wir planen zum Beispiel derzeit bis 2045 allein mehr als 450 Kilometer Niederspannungs-Leitungen für rund 100 Millionen Euro. Rechtzeitige und gute Planung spart Zeit und Geld.“
Was bedeutet das für die Menschen in und um Würzburg?
Andreas Günther: „Die eine oder andere Einschränkung wegen verstärkter Bautätigkeit. Denn wir müssen vielen Stellen und auf allen Netzebenen bauen. Und wir haben es nicht nur mit Leitungen zu tun, sondern auch mit Umspannwerken, Transformatoren, Ortsnetzstationen und so weiter. Hier geht es um Neubau und Ertüchtigung. Und diese physischen Maßnahmen ziehen leider zwangsläufig immer auch aufwändige Baustellen und entsprechende Verkehrsbehinderungen nach sich.“
Sie erwähnen „physische Maßnahmen“. Gibt es noch andere?
Andreas Günther: Wir müssen die Leistungsflüsse im Netz anders steuern. Floss früher der Strom nur vom Kraftwerk zum Verbraucher, haben wir seit Jahren bereits Gegenverkehr im Netz. Wenn nämlich die vielen Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern mehr Strom einspeisen, als vor Ort gebraucht wird, ändern sich die Stromflüsse. Wenn man so will, steht das System dann auf den Kopf. Hier wird die Digitalisierung helfen, das Netz stabil zu halten.
Höherer Verbrauch und mehr Einspeisung aus den erneuerbaren Energien bedeuten mehr Verkehr in den Leitungen – in allen Richtungen. Aber was tun, damit es dort zu keinem „Stau“ kommt? Die Antwort lautet: Netzausbau. „Im Prinzip kann man sich das vorstellen wie bei einer Wasserleitung“, sagt Andreas Günther. „Bei einem bestimmten Durchmesser kann ein bestimmtes Volumen fließen. Soll mehr Wasser durch das Rohr, braucht es einen größeren Durchmesser.“ In neue Wohn- oder Gewerbegebiete müssen neue Leitungen verlegt werden – auf verschiedenen Spannungsebenen. Gegebenenfalls braucht es dazu dann auch wieder größere Zuleitungen.
Geplanter Netzausbau- und Verstärkungsbedarf allein für das Niederspannungs-Leitungsnetz der MFN
| Zeitraum | Zubau Leitungen in km | Geschätzte Kosten in Euro |
| 2023 bis 2028 | 82 | 14.082.755 |
| 2029 bis 2033 | 107 | 18.267.313 |
| 2034 bis 2045 | 270 | 66.529.544 |
| Gesamt | 459 | 98.879.612 |
Neben den Leitungen selbst gilt es auch, die Übergabepunkte zwischen den verschiedenen Netzebenen zu ertüchtigen. Ein Beispiel dafür ist das Umspannwerk Dürrbachau. Es dient als Knotenpunkt im Würzburger Nordwesten, hier endet eine Überlandleitung aus Richtung Schweinfurt. Die ursprünglich aus den 1950er Jahren stammende Anlage wird seit vier Jahren auf den neuesten Stand der Technik gebracht. „Nach Abschluss der Arbeiten werden wir um 25 Prozent mehr Trafoleistung haben“, sagt Ralf Seifert, der zuständige Projektmanager bei der Mainfranken Netze GmbH.
Die Trafos und Schaltanlagen ziehen dabei von der Freifläche in ein Gebäude. So schrumpft der Platzbedarf von ursprünglich 200 mal 50 Meter auf 70 mal 16 Meter. In Betrieb nehmen will es die Mainfranken Netze GmbH im dritten Quartal 2026. Die Gesamtinvestitionskosten des Unternehmens betragen knapp 23 Millionen Euro. Das Geld für solche Baumaßnahmen erhalten die Netzbetreiber über die Netzentgelte, die Teil der Stromrechnung sind.
Bürgerbeteiligungsprojekt: So investieren Sie in Würzburgs Zukunft
Die Energiewende gilt als Gemeinschaftsprojekt, das alle betrifft – vom Energieunternehmen über die Politik bis zum Privathaushalt. Diesen Gedanken greift die WVV auf und will sich mit Investitionen am Ausbau der erneuerbaren Energien in Würzburg und der Region beteiligen.
Seit 2018 gibt es die WVV-Bürgerbeteiligung. Das Prinzip war damals: Die WVV pachtet Dächer oder Freiflächen, die Firmen oder der Stadt Würzburg gehören. Dort installierte die WVV Photovoltaikanlagen und WVV-Energiekund/innen konnten den Ausbau der Photovoltaikanlagen finanziell unterstützen – und ihr Geld so zukunftsweisend anlegen. Nun geht es mit dem Umspannwerk Dürrbachau in die dritte Runde der WVV-Bürgerbeteiligung:
Sie können Ihr Geld in den Umbau des Umspannwerkes in Dürrbachau investieren und somit den Ausbau der Infrastruktur von morgen für die Region unterstützen. Außerdem profitieren Sie von attraktiven Zinsen in Höhe von 3,25 % bis 3,75 % p.a. bei einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren und einem Zeichnungsbetrag von 500 bis 25.000 €. Informieren Sie sich jetzt weiter unter wvv.de/buergerbeteiligung und sichern Sie sich ab 5. Oktober Ihre Genussrechte! Sie möchten mehr erfahren? Dann kommen Sie zur Mainfrankenmesse. Am 5. Oktober stellen wir das neue Bürgerbeteiligungsprojekt ausführlich vor. Nutzen Sie die Gelegenheit, Ihre Fragen direkt an uns zu richten.
Geplante Anlagen rund um das Würzburger Mittelspannungsnetz
| Zeitraum | Zahl der Anlagen | Geschätzte Kosten in Euro |
| 2023 bis 2028 | 24 | 10.072.284 |
| 2029 bis 2033 | 57 | 11.999.338 |
| 2034 bis 2045 | 259 | 43.984.684 |
| Gesamt | 340 | 66.056.306 |
Digitalisierung für ein sicheres Stromnetz
Neben dem Bau neuer Stromleitungen und Umspannwerke spielt auch moderne Technik eine tragende Rolle für das Stromnetz der Zukunft. Mithilfe digitaler Lösungen lässt sich zum Beispiel genau messen, wie viel Strom gerade produziert und verbraucht wird. Sind die Stromflüsse bekannt, sorgen spezielle, digital gesteuerte Stationen dafür, dass Strom jederzeit zuverlässig mit der richtigen Spannung ins Haus kommt – und sie liefern dabei ständig aktuelle Daten aus dem Netz. Dies passiert inzwischen in vielen Würzburger Stadtteilen.
Von Smart Metern und dynamischen Tarifen
In den Haushalten helfen künftig intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter, den Energiefluss besser zu steuern: So kann zum Beispiel über ein entsprechendes Lastmanagement die Waschmaschine dann automatisch laufen, wenn besonders viel Strom aus Solaranlagen im Stromnetz vorhanden und der Strom deshalb über dynamische Tarife besonders günstig ist. Oder das E-Auto gibt Strom ans Netz zurück, wenn gerade wenig Wind weht – dafür bekommen die Besitzer sogar Geld zurück. Um diese neuen Möglichkeiten zu nutzen und die Energiewende voranzutreiben, investiert die WVV weiterhin viel Wissen, innovative Technik und Geld.