Unser Leben wird zunehmend digitaler. Das Ticket für Bus und Bahn? Auf dem Smartphone. Bankgeschäfte und Bezahlen? Machen wir mit dem Handy. Kurze Nachricht an Freunde und Familie? Am besten über die Messenger-App. Kommunalen Anbietern, Ämtern und Behörden wird dagegen gerne nachgesagt, bei der Digitalisierung hinterherzuhinken.
In Würzburg unterstützt seit einigen Jahren die Innovationsgesellschaft smart and public GmbH, ein Tochterunternehmen der WVV, den öffentlichen Sektor samt kommunaler Einrichtungen bei der Digitalisierung. „Dabei sind wir nicht nur eine pure Software-Schmiede, wir treiben auch das Internet der Dinge voran“, sagt Max Trompeter, von der ersten Stunde an für die Kommunikation bei smart and public zuständig. Was er damit meint? Das Unternehmen stattet verschiedenste Einrichtungen mit Sensoren aus, überträgt die Daten automatisiert und verarbeitet diese weiter.
Digitale Daseinsvorsorge
Zu den Kernaufgaben staatlichen oder kommunalen Verantwortung gehört die Daseinsvorsorge, also Güter und Dienstleistungen bereitzustellen, die für das menschliche Dasein notwendig sind. Dies beinhaltet zum Beispiel die Infrastruktur für Energie- und Wasserversorgung, Müllentsorgung, Verkehrsleistungen und Telekommunikation. Eine stärkere Verschränkung von Digitalisierung und Daseinsvorsorge ist ein zentrales Anliegen von smart and public. Dabei geht es nicht nur darum, den Menschen in der Stadt das Leben so einfach wie möglich zu machen – etwa wenn ein Smart Meter, also ein intelligenter Stromzähler, den Weg in den Keller zum Ablesen überflüssig macht.
Im Heizkraftwerk fallen Wege weg
Ein Beispiel für die Digitalisierung ist das Heizkraftwerk. Es ist inzwischen mit Sensoren ausgestattet, die Luftfeuchtigkeit, Temperatur und weitere Parameter per Funknetz (LoRaWAN – Long Range Wide Area Network) auf Monitore und Mobilgeräte senden. Die Technikerinnen und Techniker ersparen sich die Kontrollwege durch das Kraftwerk. Auch im Klärwerk Würzburg messen, sammeln und übertragen Sensorik und Kommunikationseinheiten die Wassertemperatur und den Durchfluss. Die Daten sollen dazu dienen, künftige Wärmepumpen effizienter zu dimensionieren.
Ladestationen: Finden statt suchen
Auf der Mainfrankenmesse stellte die WVV zudem eine von der Konzerntochter entwickelte Anwendung vor, bei der die Fahrerinnen und Fahrer von Elektroautos sehen können, welche Ladestationen in der Stadt frei sind. So können sie sich unnötigen und nervenaufreibenden Suchverkehr ersparen und sich leicht zum nächsten freien Ladepunkt navigieren lassen. Ergänzt werden soll die Karte noch um weitere Daten, darunter die Positionen der öffentlichen WüFi-Hotspots sowie aktuelle Baustellen samt Ursache und geplanter Dauer – alles dann erreichbar über die MeineWVV-App sowie die WVV-Website.
Hier geht es zur erwähnten Ladekarte.
Baustellen und Parkplätze im Blick
Ebenfalls an E-Mobilitäts-Ladesäulen – wenn auch nicht öffentlich einsehbar – läuft das Projekt „Park & Charge“. Sensoren stellen fest, ob ein Fahrzeug an der Säule parkt. Und die Ladestation meldet an eine zentrale Stelle, ob an ihr auch geladen wird. Parken zum Laden ist erlaubt. Die Kombination beider Daten kann Missbrauch entlarven. „Wir können feststellen, ob zum Beispiel Fahrzeuge unberechtigterweise auf den Stellflächen geparkt wurden“, so Trompeter.
Beispiele für Smart City-Lösungen aus aller Welt
Barcelona: Weniger Staus dank Verkehrssteuerung
Die Hauptstadt Kataloniens nutzt Verkehrsüberwachung und Big Data, um Ampelschaltungen in Echtzeit an den Verkehrsfluss anzupassen. Das verringert Staus, verkürzt die Reisezeiten und verbessert damit die Luftqualität. Entlang der Hauptverkehrsadern und -Kreuzungen ist ein umfassendes Netzwerk von Kameras und Sensoren installiert, die kontinuierlich Daten sammeln. In einer Kontrollzentrale berechnen Algorithmen die effizientesten Ampelschaltungen und nehmen die Anpassungen vor. Mobile Apps liefern den Berufspendelnden aktuelle Verkehrsinformationen und alternative Routen, um den Verkehrsfluss weiter zu optimieren.
Schwerte: Nachhaltig durch intelligente Müllsammlung
Meist läuft die Müllabfuhr nach einem festen Zeitplan ab – egal, ob nötig oder nicht. Manchmal sind Abfallbehälter bei der geplanten Abholung noch fast leer – manchmal kurz nach der Leerung übervoll. In Schwerte – gemeinsam mit der Stadt Dortmund eine Modellregion Smart Cities – erhalten die Abfalleimer Sensoren, die den Füllstand erfassen. Anhand dieser Daten lassen sich überquellende Container oder „Müllberge“ verhindern. Weil die Müllabfuhr noch fast leere Tonnen erst gar nicht anfährt, können „unnötiger“ Verkehr vermindert und Zeit eingespart werden. Das funktioniert im Prinzip auch bei den Mülltonnen von Unternehmen.
München: Digitalisierte Verwaltung für mehr Bürgernähe
Die Landeshauptstadt gilt als einer der Vorreiter unter den deutschen Smart Cities. Sie ist führend beim Breitband- und 5G-Ausbau sowie bei der digitalen Erschließung durch Glasfaser. München punktet aber vor allem damit, dass Bürgerinnen und Bürger viele Anliegen bequem von zu Hause aus selbst bearbeiten können: Anträge für Elterngeld, Führerschein und Kfz-Zulassung. Den Gang zum Bürgerbüro für die Antragsstellung und einen weiteren zum Abholen der Unterlagen kann man sich bei vielen Anliegen ersparen.
Los Angeles: Umweltfreundlich durch intelligente Beleuchtung
Die intelligenten Straßenlaternen der kalifornischen Metropole verfügen nicht nur über energiesparende LED-Technik, sondern auch über Bewegungssensoren. Diese erkennen, wenn sich Menschen oder Fahrzeuge nähern, und passen die Helligkeit der Lampen entsprechend an. Ohne Verkehr ist das Licht gedimmt, um Strom zu sparen sowie Pflanzen und Insekten vor Lichtverschmutzung zu schützen. Nähern sich Passanten oder Fahrzeuge, sorgt die Technologie für eine optimale Ausleuchtung. Das sorgt für mehr Sicherheit. Dunkle Straßen und Ecken werden besser beleuchtet, sobald sich Menschen dort bewegen. Die Umstellung auf LED-Technologie hat den Energieverbrauch der Stadt erheblich gesenkt und die Kosten für die Straßenbeleuchtung drastisch reduziert.
Smarte Beleuchtung – auch die WVV hat solche Projekte bereits erfolgreich umgesetzt, beginnend mit der Installation von Lauflichtern in Eibelstadt im Jahr 2020.
Öffentlichen Nahverkehr visualisieren und planen
„Echt cool“ findet Trompeter auch die Anwendung „Lastteppich“ für den ÖPNV: „Nach einer ersten kleineren Anfrage entstand über die Zeit eine fruchtbare und für alle Beteiligten erquickliche Zusammenarbeit.“ Die Würzburger Straßenbahn (WSB) erhebt schon länger Daten, wie viele Menschen zu welcher Zeit auf welchen Linien die Wagen und Busse benutzen. Allerdings haperte es hausintern an den Visualisierungsmöglichkeiten.
smart and public, Expertin darin, verarbeitet diese Datenmengen nun und visualisiert die Verkehrsströme. „Diese optisch aufbereitete und unterschiedlich filterbare Auslastung hilft den Verkehrsplanern in ihrer täglichen Arbeit“, so Trompeter. Profitieren sollten ursprünglich jedoch andere: „Erste Zielgruppe waren Ratsmitglieder, damit diese einfach nachvollziehen können, warum Fahrplanänderungen notwendig sind.“
Eine andere Kleinstanwendung der Innovationsgesellschaft spart den Verkehrsplanern der WSB viel Zeit und schafft neue Kapazitäten. Bisher war es sehr aufwendig, die Umlaufpläne für Fahrerinnen und Fahrer zu erstellen – eine Übersicht für jeden Tag und jede Linie inklusive Änderungen wie Straßensperren und Baustellen. Dank smart and public wich die einstige Tipparbeit wenigen Mausklicks, aus Stunden wurden Sekunden.
Grundlagenarbeit: Digitalisierung der Verwaltung
Selbstredend gibt es auch in der kommunalen Verwaltung viel für die „smarten“ Entwicklerinnen und Entwickler zu tun. Zum Unternehmensstart 2022 beauftragten Stadt und Landkreis Würzburg die smart and public GmbH im Zuge eines Förderprogramms deshalb mit der Grundsteinlegung weiterer digitaler Projektmaßnahmen. Der Würzburger „Smart City Hub“ erlaubt es, Software schneller ins Laufen zu bringen und ihr einen gemeinsamen Datenstamm zur Verfügung zu stellen – selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes.
Menschen zusammenbringen
Auf die Frage hin, was das Leben für Bürgerinnen und Bürger „smarter“ machen könnte, verweist Trompeter auf die fortwährende Notwendigkeit, erst einmal in Rathäusern, Stadtwerke-Büros und Behörden die Basis zu schaffen: „Wenn dort alles beim Alten bleibt, bringen die schicksten Apps nichts“, gibt er zu Bedenken. Kleine „Quick Wins“ jedoch könnten vermeintliche Spielereien sein. „Zur kommunalen Daseinsvorsorge gehört es etwa, Parkbänke aufzustellen“, sagt er. „Digital weitergedacht könnte man den Menschen nun die Möglichkeit geben, sich dort zu treffen und kennenzulernen – per Funktion in Gemeinde-Apps.“ Gleiches gälte auch für Tischtennisplatten, Bolzplätze oder Basketballkörbe, spinnt der Experte die Idee weiter. „Mit Sensorik wäre auch leicht einsehbar, ob jemand vor Ort ist und ich mich anschließen kann.“
Die technischen Möglichkeiten entwickeln sich gerade rasant – nicht zuletzt durch den Einsatz künstlicher Intelligenz. „Ein Ausblick ins Jahr 2030 oder 2040? Im Moment lässt sich kaum sagen, was in wenigen Monaten schon alles machbar ist“, lässt Max Trompeter seine Gedanken schweifen. Sicher ist aber: Mit der WVV-Tochter smart and public GmbH hat Würzburg ein Unternehmen, das sicherstellen will, dass Behörden und kommunale Einrichtungen nicht noch weiter in Rückstand geraten.
